Land in Sicht

Sternzeit 0993,8

Die Fledermaus kehrte von ihrem Aufklärungsflug zurück und meldete : ‘Land in Sicht.’ Da begannen wir plötzlich alle, aktiv zu werden. Die Giraffe versuchte, auszurechnen, wo wir wohl waren. Es musste sich um die norwegische Küste handeln. Die Spinne rief : ‘Halleluja, halleluja’, der Octopus drehte ein wenig lauter und die Delphine machten Luftsprünge. Der Frosch zog die Fockschot an, weil wir ein wenig härter am Wind bleiben mussten, nur der Ameisenbär schaute etwas mürrisch drein. Der Frosch legte die Fender aus, der Bär leitete das Anlegemanöver ein und der Frosch sprang mit der Festmacherleine an Land, um sie um einen Poller zu wickeln. Am Strand stand ein Mann mit einem Zylinder und ein weiterer, jüngerer Mann mit einem Bart, der jonglierte. Wir waren alle sehr aufgeregt, aber die beiden schienen uns lediglich herzlich begrüßen zu wollen. Der Sohn nahm einen weiteren Ball hinzu, nun jonglierte er mit vieren und der Herr der Gezeiten nahm seinen Zylinder ab und drehte ihn um. Heraus kam eine Taube. Sie war weiss und flog davon. ‘Meine Kinder, da seid ihr ja.’ sagte der Herr der Gezeiten. ‘Ihr habt den Geist gesehen.’ ‘Supiiii’ sagte der Sohn. Wir gingen an Land, um ein Fischbrötchen zu essen. Heute würde Vollmond sein. Wir sind am Ziel.

Depression

Sternzeit 0991,2

‘Ich bin ja soo depressiv.’, sagte der Delphin. ‘Meine Braut wartet zu Hause auf mich und ich bin auf einer Irrsinnsmission.’ ‘Sag nicht sowas.’ ermahnte ihn der Ameisenbär. Schon seit Tagen war der Delphin eher etwas down. Seine Gruppe hatte alles für ihn getan, ihm seine Lieblingsmusik vorgespielt, ihm aus dem Logbuch vorgelesen und mit allen Mitteln versucht, ihn zum Lachen zu bringen. Jedoch war er so traurig, das nichts, aber auch gar nichts ihn irgendwie aufmuntern konnte. Die Tiere kannten diese schwere Krankheit nicht, sie hielten den Delphin einfach für etwas missmutig, weil der Herr der Gezeiten nirgendwo in Sicht war. Gewiss hatte der Eine oder die Andere den Delphin mit ins Gebet eingeschlossen, aber irgendwie musste der Herr darüber hinweggekommen sein. Der Octopus wollte es mit Zackenplankton versuchen, aber der Bär hielt ihn davon ab. Als der Frosch einen fahren liess, musste der Delphin aber tatsächlich etwas schmunzeln. Im Logbuch war verzeichnet, dass wir auf Kurs Nord bleiben sollten. Der Farn, den wir als Lesezeichen benutzten, war inzwischen gut getrocknet. Ein Wunder, dass der Octopus noch nicht versucht hatte, ihn zu rauchen. ‘Was glaubt ihr, wie lange sollten wir unsere Mission noch verfolgen ?’ fragte der Ameisenbär schliesslich seine Mannschaft. Alle wollten weitersuchen. Zu viel hing davon ab. Als die Giraffe die Muscheln zubereitet hatte, ankerten wir, nickten stumm zum Bärentischgebet und hauten ordentlich rein. Wasser gab es dazu, stilles Wasser. Der Octopus wollte eine Piratenflagge hissen, aber auch davon konnten wir ihn schliesslich noch abbringen. Heute blieben wir alle auf und machten die Nacht durch, es lag etwas in der Luft, das spürten wir alle. ‘Kurs okay, niemand in Sicht.’ verzeichnete ich im Logbuch, klappte es zu und zündete mir eine an. Die Delphine würden es schon schaffen. Es war hoher Seegang und wir hatten uns alle daran gewöhnt, auf dem Wasser zu leben. Ich denke jedoch immer noch, der Delphin hätte es eigentlich wissen müssen…..

Bilder

Sternzeit 0989,4

Was war denn das ? Heute ist uns ein Geisterschiff begegnet. Es muss sich um den fliegenden Holländer gehandelt haben. Die Fledermaus erspähte es zuerst. Wir haben die Bilder alle nur zu deutlich vor Augen. Es war ein 3-Master mit voll aufgetakelten Segeln. Ein Kapitän oder eine Mannschaft war nicht auszumachen. Es kreuzte unseren Kurs, so dass wir tatsächlich ausweichen mussten. Bisher hatten wir alle gedacht, es handelte sich um Seemannsgarn. Jedoch selbst der Ameisenbär konnte mit dieser Erscheinung nichts anfangen. Auch mit den anderen Sinnen nahmen wir es wahr. Wir hörten nämlich Kettenrasseln und es roch nach Seetang. Ob wir alle inzwischen halluzinierten ? Jedenfalls habe ich Euch nun alles so beschrieben, wie es sich abgespielt hat. Inzwischen haben wir auch unserem Herrn von dieser bedrohlichen Begebenheit erzählt. Zur Beruhigung hat der Octopus nach dem Abendbrot etwas meditative Musik aufgelegt. Das half nicht wirklich, aber nur um ihm eine Freude zu machen, sagten wir alle einmal ‘Ooom’. Nein, dann doch lieber Rock n’ Roll. Der Mond ist fast voll, es plätschert leise, wir sind auf Kurs Nord und der Delphin macht uns langsam richtig Sorgen. Es sei.

Seegang

Sternzeit 0988,7

Was hatten wir heute für eine Freude beim Segeln. Ein bis zwei Glasen nach dem Wachwechsel, also noch vormittags, frischte es mächtig auf. Wir hatten mal wieder Windstärke 6 – 7 und wir mussten uns alle mächtig ins Zeug legen. Vorbei die Zeiten der Fusspflege und des Überlegens. Der Ameisenbär am Ruder gab ganz routiniert die Kommandos und an der Fockschot saß wie immer der Frosch. Was für ein grossartiges Gefühl, bei Wind und Wetter den Elementen ausgeliefert zu sein ! So machte unsere Reise Spass. Erst gegen Abend hatten wir wieder etwas Zeit, zur Besinnung zu kommen, aber die Phasen der Untätigkeit und des Wartens gingen uns schon allen auf den Zeiger. Der Octopus legte Tool auf und der Bär liess sein Buch heute mal eingepackt. Die Calamaris, die die Spinne uns zubereitet hatte, schmeckten ganz hervorragend, so dass wir alles bis auf den letzten Happen vertilgten. Heute hielten zwar die Delphine Nachtwache, aber da die Giraffe nicht schlafen konnte, übernahm sie die Schicht einfach mit und erledigte auch die Logbuchtätigkeit. Bleibt für mich als Chronisten nur als letzten Eintrag vorm Schlafengehen im Logbuch zu verzeichnen, dass wir alle inzwischen mächtigen Spass hatten, ohne jedoch den Ernst unserer Mission zu verkennen. Nachts war es recht flau und der Mond näherte sich wieder dem Vollmond. Grossartig !

Das Buch

Sternzeit 0987,4

Heute hat uns der Ameisenbär endlich etwas mehr über das Buch erzählt und uns sogar einige Geschichten daraus vorgelesen. Wer es geschrieben hat, hat er uns nicht verraten, aber er sagte, es handele vom Herrn der Gezeiten. Im zweiten Teil taucht dann der Mann auf, der durch die Wüste zog. Auch Gedichte und Lieder sind darin enthalten. Der Bär versicherte uns, dass jedes Wort für uns gilt und wir uns felsenfest darauf verlassen könnten. Er erhalte seine Inspiration aus dem Buch und wolle, dass es für uns ebenso wichtig werde wie für ihn. Darum werde er es in unseren Zusammenkünften künftig benutzen. Es war kurz nach dem Frühstück, als er unseren Wissensdurst etwas gestillt hatte und das Buch wieder verstaute. Dann setzte er sich wieder ans Ruder und befahl dem Frosch, seinen Platz an der Fockschot einzunehmen. Bis weit in den Nachmittag hinein, mindestens fünf Glasen nach dem Wachwechsel, hatten wir guten Wind und unsere Segel waren prall gefüllt. Heute hatten wir beschlossen, zur Nacht wieder einmal zu ankern, trotzdem benötigten wir natürlich eine Nachtwache. Das übernahm heute die Fledermaus. Als wir alle in unseren Kojen verschwunden waren, hatte sie endlich wieder einmal Zeit, zur Besinnung zu kommen. Sie schrieb alles, was heute geschah ins Logbuch, verzeichnete die Mondphase, legte den Farn hinein und klappte es zu. Dann liess sie sich ein wenig von den Geräuschen, die es nachts auf See gibt beruhigen. Sie hörte ein Klickern und ein Plätschern und dachte ein wenig darüber nach, wie wir den Delphin wieder ein wenig aufmuntern konnten. Der sternenklare Himmel liess die Szene beinahe etwas unwirklich erscheinen.

Entscheidungen

Sternzeit 0986,9

Tief- und todunglücklich zog unser Delphin seine Runden um das Floß. Gewiss, er freute sich, dass seine Gefährtin wieder in Freiheit war, aber nun wurde ihm erst deutlich, dass sie getrennt waren und er genauso gut umdrehen und zu seiner Partnerin schwimmen konnte. Aber schliesslich entschied er sich in Absprache mit seiner Gruppe, die Mission nicht abzubrechen. Heute regnete es fast den ganzen Tag, nur am Mittag liess sich die Sonne kurz blicken. Der Octopus gehörte inzwischen wie ganz selbstverständlich zu unserer Gruppe. Und was er für Musik mitgebracht hatte… Wenn die Delphine eine Pause brauchten, flog die Fledermaus etwas voraus und sondierte die Lage. Sie schien inzwischen vollständig erholt zu sein. Die Giraffe machte uns zum Abendbrot einen ganz hervorragenden maritimen Salat. Der Ameisenbär dankte kurz vorm Essen, das machten sie inzwischen regelmäßig und abwechselnd. Nun hatten wir folgende Erfahrung gemacht : wenn einer von uns ein Tief hatte, fingen die anderen ihn auf. Der Octopus sagte dazu nur ‘No storm can last forever.’ Also redete heute die Spinne, die Nachtwache hatte, noch ganz ausführlich mit unserem Delphin. Als sie sich schliesslich trennten, der Delphin zu seiner Gruppe schwamm und die Spinne die Mondphase und den einzuschlagenden Kurs verzeichnete, ging immer noch ein recht frischer Wind. Wie gern hätte die Spinne etwas mehr davon verstanden, was der Ameisenbär von seinem Herrn erzählte. Ob sie ihn wohl finden würden ? Ob er es tatsächlich hörte, wenn sie alle in einsamen Momenten und in Gedanken mit ihm redeten ? Das würden sie bestimmt nur allzubald herausfinden.

Eine Nachricht

Sternzeit 0985,7

Wir waren weiterhin auf Kurs Nord, als uns eine Nachricht aus der Heimat erreichte. Stellt Euch vor, die Delphine waren befreit worden. Als unser Delphin das hörte, war er aber wirklich einen Moment lang versucht, die Reise abzubrechen. Nachdem er sich allerdings mit seinen Artgenossen besprochen hatte, beschlossen sie alle gemeinsam, bei uns zu bleiben. Wir dankten dem Herrn der Gezeiten für diesen Schachzug, falls er etwas damit zu tun hatte, aber das konnte man mittlerweile jawohl nicht mehr ausschliessen. Als die Sonne am höchsten stand, entschlossen wir uns zu einer erneuten Zusammenkunft am Abend. Als es soweit war, eröffnete der Ameisenbär die Runde mit einem Gebet und las uns anschliessend aus dem Buch vor. Darin war die Rede von einem Mann, der durch die Wüste zog. Wir drängten den Bär, uns die Geschichte zu erklären, jedoch fuhr er fort, indem er uns zum Singen aufforderte und hüllte sich weiterhin in Schweigen. Wir würden verstehen, wenn es soweit wäre, versicherte er uns. Das war für uns schwer auszuhalten, aber wir vertrauten ihm. Dann kletterten wir in unsere Kojen, während der Frosch seine Nachtwache antrat. Nachdem er eine Zigarette geraucht hatte, verzeichnete er den Tag ordnungsgemäß im Logbuch, klappte es zu und sah in den Sternenhimmel. Einige Zeichen kannte er.

Sichtbarkeit

Sternzeit 0984,3

Nach der Nachmittagspause rief der Herr der Gezeiten erneut den Sohn zu sich. ‘Ich habe mir Gedanken gemacht.’ sagte er. ‘Was machen wir, wenn sie sich zerstreiten ?’. ‘Denk dran, sie haben den Geist. Sie werden weitersuchen.’ antwortete der Sohn. ‘Sie gehen einer ehrenvollen Aufgabe nach.’ Der Herr der Gezeiten kaute auf seinem Kaugummi. Er hatte vor langer Zeit das Rauchen aufgegeben. Sie wussten beide, dass der Plan unserer Freunde dem Gegner nicht gefallen konnte. Man könnte fast auf die Idee kommen, der ganze Planet sei in Feindeshand bis auf die kleine Mannschaft, die diesem so tollkühnen Plan nachging. ‘Wie können wir Ihnen helfen ?’ fragte der Herr. ‘Ich habe Frieden geschlossen. Ein für alle Mal.’ sagte der Sohn. ‘Aber es ist ein dunkler Planet. Viele Mächte streiten um die Überhand.’ Der Sohn jonglierte ein wenig. Er war manchmal wie ein verspieltes Kind, dann wieder wie ein guter Freund und dann zum Dritten wie ein unsichtbarer Begleiter im Hintergrund. ‘Wir müssen abwarten.’ sagte der Herr schliesslich. ‘Das sehe ich genauso’, sagte der Sohn. ‘Sie haben alles was sie brauchen.’ Vater und Sohn waren seit langem wiedervereinigt. Der Planet war schon vor langer Zeit einmal in ähnlicher Gefahr gewesen. Nachdem der Sohn den Vater offengelegt hatte, war er in Sicherheit zurückgekehrt und hatte den Tieren den Geist gegeben. Manche kamen früher drauf, manche später. Sie kamen sich von Zeit zu Zeit so verloren vor, weil sie nichts hatten, was sie sehen oder anfassen konnten. Das hatte sich ja nun geändert. Gewiss wurde unsere Mannschaft von vielen argwöhnisch begutachtet. Und nicht nur mit guten Wünschen.

Wasser

Sternzeit 0983,8

Was war das für ein seltsames Element, auf dem wir unterwegs waren. Seit Wochen hatten wir jetzt nichts als Wasser gesehen. Aber es gefiel uns. Durch Wind und Wetter zogen wir mit unserem Floß. Heute hatte uns der Octopus mit Musik geweckt. Bei Windstärke 4 – 5 segelten wir weit Richtung Nord. Wir waren heute alle sehr schweigsam. Jeder hing seinen Gedanken nach oder redete mit dem Herrn. Gegen Abend hielten wir erneut eine Zusammenkunft, auf der wir nichts taten außer singen. Der Bär hüllte sich weiter in Schweigen, was dieses Buch anging. Immerhin hatten wir morgens einen sogenannten ‘Psalm’ im Logbuch gefunden, der uns schon ein bisschen weiterhalf. Als die Giraffe die Nachtwache übernahm, war die Sonne noch nicht untergegangen. Wir gingen in die Koje und die Giraffe blätterte ein wenig im Logbuch, um den bisherigen Fortschritt unserer Reise noch einmal gedanklich nachzuvollziehen. Wie weit waren wir gekommen… Was hatten wir erlebt… Wen hatten wir getroffen… Als es soweit war, verzeichnete sie wie abgesprochen die Mondphase und klappte das Logbuch zu. Wie ging es weiter ?

Egal oder Phantasie

Sternzeit 0983,1

Heute war es uns egal. Wir waren lange nicht tauchen, also versuchten wir es wieder einmal. Es bietet sich sprachlich an, zu sagen wir waren etwas durch den Wind. Die Spinne übernahm die Sicherung an Deck und der Rest von uns ging ohne Haikäfig in die Tiefe. Es ist schwierig, sich nur mit Handzeichen zu verständigen. Erneut entdeckten wir ein Korallenriff, dieses allerdings war etwas zugemüllt. Also legten wir Hand an und befreiten es so gut es ging davon, ohne etwas zu zerstören. Wir tauchten auf und sammelten den Müll an Deck, denn die Ozeane sind ein Naturgut, man könnte sagen: Teil der Schöpfung und sollten von uns Tieren nicht als Abfalleimer missbraucht werden. Die Phantasie ging mit uns durch, wir sahen schon überall Anzeichen dafür, dass der Herr der Gezeiten erneut Kontakt mit uns aufnehmen wollte, sei es im Wasser oder im Wind. Der Ameisenbär allerdings erzählte uns das erste Mal von einem Buch. Es sei schwierig zu verstehen, aber es trage seine Handschrift, sagte er. Ob es wohl ein Gedichtbuch war ? Ob es bebildert war ? Und in welcher Sprache war es geschrieben ? Ob der Octopus, der immer häufiger begann, Fragen zu stellen, es lesen und verstehen konnte ? Ob wir ein Exemplar davon an Bord hatten, wollte der Bär uns noch nicht verraten. Er schrieb manchmal Zitate aus dem Buch ins Logbuch, manchmal nannte er es ‘Einzelne’, manchmal waren es zusammenhängende Sätze. Wie der Zufall oder unser Wachplan es wollte, hatte der Ameisenbär heute auch Nachtwache. Da würden wir morgen früh alle ganz gespannt sein. Zunächst jedoch waren wir alle heilfroh, dass wir mal einen Tag lang fünfe gerade sein lassen konnten oder den lieben Gott einen guten Mann sein lassen, wie man sagt. Diese ganze Herumphilosophiererei wurde nämlich langsam richtig anstrengend. Alle gesund.