von hoffnungsferne – Stimmenrausch 2014-10-31

Luisa Capetillo, zum 135sten; Francis Bacon, zum 105ten; Ileana Sonnabend, zum 100sten; Bernhard Wicki, zum 95sten; John Locke, 310ter Todestag; Kurt Gerron, 70ster Todestag; Kornei Iwanowitsch Tschukowski, 45ster Todestag; Kateb Yacine, 25ster Todestag (28. Oktober)
Zbigniew Herbert, zum 90sten; Danielle Mitterrand, zum 90sten; Albert Dulk,130ster Todestag; Nikolai Gawrilowitsch Tschernyschewski, 125ster Todestag; Georges I. Gurdjieff, 65ster Todestag (29. Oktober)
Alfred Sisley, zum 175sten; Sergio Amidei, zum 110ten; Krsstana Iwanowa Janewa, zum 100sten; Grace Slick, zum 75sten; Ernst Stadler, 100ster Todestag (30. Oktober)

An Old-Fashioned Song

No more walks in the wood:
The trees have all been cut
Down, and where once they stood
Not even a wagon rut
Appears along the path
Low brush is taking over.

No more walks in the wood;
This is the aftermath
Of afternoons in the clover
Fields where we once made love
Then wandered home together
Where the trees arched above,
Where we made our own weather
When branches were the sky.
Now they are gone for good,
And you, for ill, and I
Am only a passer-by.

We and the trees and the way
Back from the fields of play
Lasted as long as we could.
No more walks in the wood.

John Hollander, zum 85sten; from: Tesserae and Other Poems, 1993

“Tatsächlich glaube ich nicht ans handwerkliche Schreiben. Ich meine heute noch, Kunst müsse aus dem Überfluss kommen, sie müsse unnütz sein, frei von jedem Kalkül, sie müsse von selbst entstehen, aus einer Laune heraus, sie müsse der pure Luxus sein.”
“Ich weiss nicht mehr, wie man sich dazu bringen kann, etwas zu schreiben. Alle schreiben vor sich hin, keinen treibt etwas.”

Matthias Zschokke, zum 60sten; aus: “Lieber Niels,”, hier zitiert nach Beat Mazenauer

“Wir begreifen nicht, dass Prinzipien, die für unsere Entfaltung fruchtbar gewesen sind, von andern nicht so hoch verehrt werden, als dass sie veranlasst würden, sie für den eigenen Gebrauch zu übernehmen.”

Claude Lévi-Strauss, zum 5ten Todestag; zitiert nach Thomas Assheuer
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verloschener gotteslohn – Stimmenrausch 2014-10-28

Klas Pontus Arnoldson, zum 170sten; Jan Kott, zum 100sten; Mike Kelley, zum 60sten; Abraham Ángel Card, 90ster Todestag; Judith Auer, 70ster Todestag; Georg Hartmann, 60ster Todestag; Willi Bredel, 50ster Todestag; Rafael Alberti, 15ter Todestag; Lou Reed; Todestag (27. Oktober)

“And now for something completely different.”

John Cleese, zum 85sten; gemein

IN MY CRAFT OR SULLEN ART

In my craft or sullen art
Exercised in the still night
When only the moon rages
And the lovers lie abed
With all their griefs in their arms,
I labour by singing light
Not for ambition or bread
Or the strut and trade of charms
On the ivory stages
But for the common wages
Of their most secret heart.

Not for the proud man apart
From the raging moon I write
On these spindrift pages
Not for the towering dead
With their nightingales and psalms
But for the lovers, their arms
Round the griefs of the ages,
Who pay no praise or wages
Nor heed my craft or art.

Dylan Thomas, zum 100sten; poem from: “Deaths and Entrances” London 1946
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unter glänzender salzkruste – Stimmenrausch 2014-10-27

Ulrich Plenzdorf, zum 80sten; Gustav Seitz, 45ster Todestag (26. Oktober)

“Die öffentliche Meinung ist eine Hure und die Nachwelt ein Nonsens.”

Georges Danton, zum 255sten; gemein

Spleen setzt eine Freiheit voraus, die noch viel lockerer ist als die Schnur, über die jeder einmal schlägt, und der Herr B., der offenbar in diesem Haus nur seinem Vergnügen leben wollte, war vielleicht ein noch größerer Herr, als man vermutet hatte.

Peter Marginter, zum 80sten; aus: “Leichenschmaus”, 1969

Ich weiss, du liebst es hoch zu Rosse
Zu schütteln den Speer deiner Poesie,
Drum duftet sie auch nie nach der Gosse
Und stinkt beträchlich nach Patchouli.
Famos! schon wird vor Bewundrung stumm
Das höhere Töchterpublikum.

Arno Holz, zum 85sten Todestag; aus dem Gedicht: “Einem Glacédemokraten”, in: Buch der Zeit, Berlin 1892

Gedichte schreiben

Jedes Wort
das nicht gewählt wird
schreit
Jedes Wort
das verworfen wird
schreit
Jedes Wort
das bleibt
ruft
Nach den nicht gewählten
Nach den verworfenen
Und alle Wörter
wiegen
gleich schwer

Leta Semadeni, zum 70sten; in: Poesias da chadafö – Küchengedichte, 2006
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als angerichtetes st.illeben – Stimmenrausch 2014-10-26

Abel Gance, zum 125sten; Beate Uhse, zum 95sten; Mary McCarthy, 25ster Todestag; John Peel, 10ter Todestag

“Ich bin eine bröcklige Existenz, die sich aufgerufen fühlt, sich jeden Tag neu zu verfassen. Das ist geradezu triebhaft bei mir. Ich versuche, in einem Hochspannungsfeld die Balance zu halten. Zwischen Himmel und Erde spanne ich mir selber ein Seil und bemühe mich, nicht herunter zu fallen.”
“Ich habe mich in Prosa fast überhaupt nicht zu den deutschen Dingen geäußert, weil diese irrationalen Vorgänge für mich in nüchterner Prosa nicht mehr zugänglich waren. Ich habe viel Zorn, Wut, Verzweiflung, Sarkasmus und Ironie auf Gedichte verwendet, die sich damit weniger ins Benehmen als ins Unbenehmen setzen.”
“Es hat das Verfassen von Kunst auf allen Ebenen etwas mit Therapie, vor allem aber etwas mit Kompensation zu tun.”
“Das Schreiben ist eine Art von Selbstverdoppelung. Man stellt Schatten von sich her, ein zweites Ich, an dem man sich auch aufrecht hält. Eigentlich möchte man immer ein ideales Ich von sich selbst verfassen.”
“Wenn man merkt, dass es wieder auf so ein ideales Ich zuläuft und ein Gedicht sich vervollständigt und ein Aufsatz sich rundet, dann ist man außerordentlich erhoben und hat gerade der Angst entgegengesetzte Grandiositätsgefühle.”
aus einem Interview in Die Zeit vom Juni 2008

“Lyrik, in meinem Alter noch? Wohl ein bißchen unseriös, zumindest ein Luxus, den ich auf längere Sicht wirtschaftlich gar nicht durchhalten kann.”
hier zitiert nach Klaus Schuhmann

“Und, wie gesagt oder nicht:
wer nicht lieber lebt als schreibt, kann das Dichten auch ganz aufgeben.”
hier zitiert nach Bettina Clausen

Peter Rühmkorf, zum 85sten
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hingestrecktes wild – Stimmenrausch 2014-10-24

Hans Lehnert, zum 115ten; Champion Jack Dupree, zum 105ten; Uli Stein, zum 60sten; Krsstana Iwanowa Janewa, 70ster Todestag; Oskar Werner, 30ster Todestag (23. Oktober)
Hertha Koenig, zum 130sten; Gustav Wied, 100ster Todestag; Otto Schmirgal, 70ster Todestag; Werner Seelenbinder, 70ster Todestag; Erich Wustmann, 20ster Todestag

»Aber gibt es denn in Paris nichts anderes, als nur ausgehaltene Frauen oder Schauspielerinnen?« fragte Armida enttäuscht.
»Wir kennen nur solche. Es gibt wohl auch anständige Frauen, aber die sind reich, das sind Töchter von Finanzleuten oder aus vornehmer Familie.«
»Aber was könnte denn eine Unglückliche ohne Mittel, die anständig bleiben will, in Paris anfangen?«
»Die müßte eine Stellung als Dienstmädchen oder Arbeiterin suchen, Dienstmädchen wäre noch vorzuziehen, den Arbeiterinnen geht es zu schlecht. Aber beide sind noch mehr verachtet, als die ausgehaltenen Mädchen und leben dabei in Armut: Sie endigen schließlich, indem sie sich doch der Schande preisgeben oder in Elend verfallen.«

Rétif de la Bretonne, zum 280sten; aus: “Zeitgenössinnen”, übersetzt von Heinrich Conrad
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ergötzet an sich – Stimmenrausch 2014-10-22

Sarah Bernhardt, zum 170sten; Otto Krayer, zum 115ten; Doris Lessing, zum 95sten; Oswald de Andrade, 60ster Todestag; Nadia Boulanger, 35ster Todestag

“Diese Haltung hat ihre Grundlage in meiner Auffassung von der Arbeit eines Schriftstellers. Ein Schriftsteller, der politisch oder literarisch Stellung nimmt, sollte nur mit den Mitteln handeln, die die seinen sind – mit dem geschriebenen Wort. Alle Auszeichnungen, die er erhält, können seine Leser einem Druck aussetzen, den ich für unerwünscht halte. Es ist nicht dasselbe, ob ich “Jean-Paul Sartre” oder “Jean-Paul Sartre, Nobelpreisträger” unterzeichne.”

zu seiner Ablehnung des Literaturnobelpreises vor 50 Jahren, zitiert nach Christian Linder

unwertes würde stammtischsozialdemokratie…

abfall, überschuß, verdorbenes, abgelaufenes, unverkäufliches
für den markt wertloses wird in deutschland selektiert
in containern isoliert, weggeschlossen und zum
transport in die vernichtung bereitgestellt
das erinnert an schlechte tradition
inzwischen gibt es den weg daran vorbei
lebensmittel werden teils als almosen entsorgt
migranten die vermehrt anfallen dürfen nicht arbeiten
sollen nach altbewährter sitte in dt. lagern konzentriert werden
wollen wir uns ganz schnell wieder daran gewöhnen
daß würdige unterbringung in blechcontainern
für unterversicherte, joblose, agrarsklaven
dem einheimischen prekarierpack
demnächst auf die art sichergestellt wird
um die kosten für steuerzahler zu minimieren
dann muß auch darin ein materieller & qualitativer
mindestabstand zu knackis, irren und halbtoten geboten sein
auch für studenten, rentner und als tourivergnügen
wird bei verknapptem wohnraum in der stadt
eine unterbringung im diogenes-blech
phasenweise eine sehr attraktive
alternative zu überholten ansprüchen
bei durchaus preiswerter lebensgestaltung
inmitten der leistungsträger unserer gesellschaft
als experimentierfeld mit künstlerischem ambiente empfohlen

ideologien wie nationalsozialismus, kapitalismus, faschismus, sozialdemokratie
bilden in den auswirkungen auf unsere gesinnung immer größere schnittmengen…
der interessierte lese zu den begriffen faulheit, freiheit, grundeinkommen den text von
Robert Schurz, promovierter Philosoph und praktizierender Psychotherapeut
http:​//www.​ndr.​de/ndrkultur/sendungen/glauben​ssachen/gsmanuskript678.pdf
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wanderndes maskenspiel – Stimmenrausch 2014-10-21

Claire Waldoff, zum 130sten; François Truffaut, 30ster Todestag; Heinz Czechowski, 5ter Todestag

Kinderlied (1950!)

Der Tag ist schön
und die Nacht ist schön,
der Frühling kommt bald
und der Sommer auch,
und immer sind wir froh.

Der Herbst kommt in dem Leben.

Der Winter kommt in dem Leben.

Dann können die Kinder Schlitten fahren.

Und dann kommt Ostern,
und die Länder alle sieht man nicht.

Martin Roda Becher, zum 70sten; zit. n. Der Spiegel 27/1954

“Wie immer fühle ich aber auch eine endlose Traurigkeit, die meine Seele beschleicht, ein unbeschreibliches Verlangen nach etwas, das ich nicht in Worte fassen kann, Wehmut über ein Woanders, das ich nicht benennen kann.”

Isabelle Eberhardt, zum 110ten Todestag; z.n.w.

But then they danced down the streets like dingledodies, and I shambled after as I’ve been doing all my life after people who interest me, because the only people for me are the mad ones, the ones who are mad to live, mad to talk, mad to be saved, desirous of everything at the same time, the ones that never yawn or say a commonplace thing, but burn, burn, burn like fabulous yellow roman candles exploding like spiders across the stars and in the middle you see the blue centerlight pop and everybody goes ‘Awww!’

Jack Kerouac, zum 45sten Todestag; from: “On the Road” 1957
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nach mustern der höhlenmalerei – Stimmenrausch 2014-10-20

Miguel Ángel Asturias, zum115ten; Eva-Maria Hagen, zum 80sten; Peter Tosh, zum 70sten; Henri Michaux, 30ster Todestag; Nathalie Sarraute, 15ter Todestag (19. Oktober)
John Dewey, zum 155sten

“Wenn die alten Schwachköpfe nicht zu einer völlig falschen Vorstellung vom Ich gelangten, brauchten wir heute nicht diese Millionen von Skeletten wegzukehren, die schon eine Ewigkeit immer neue Produkte ihres bornierten Verstandes anhäufen und sich deshalb Autoren nennen.”

Arthur Rimbaud, zum 160sten; gemein

und so wahr…

reime ziehen im trüben zinsfick

stößchen müller rotsalat
wer zieht die kuh vom eis
ich & du es ist müllers kuh
der stellt sie nun aufs gleis
supersexy randbebauung
so smart ist heißer scheiß
wohnungswirtschaft das bist du
was uns jetzte blüht das weiß
wer die tratte aufs ghetto zieht
hände schmieren geht so leis
müllers kuh gibt grauen quark
schau mal da den ganzen…
um den leni-riefenstahl-park
denn der balina sozi weiß
müller planiert den ganzen tag
seine stiere sind schon heiß
erwarten nächste personalie
rentenanwart & flughafengreis
und da bricht’s ab…
es fehlt der letzte Fleiß
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knochen zu beflöten – Stimmenrausch oct_xy

Henri-Louis Bergson, zum 155sten; Fermin Rocker, 10ter Todestag

“Der Krieg befördert die Mordtriebe des Menschen zutage. Ein Gemeinplatz; aber der größte Teil der Menschen zieht daraus sonderbarer Weise noch immer nicht die sich anbietenden gesellschaftlichen Lehren.”

Tibor Déry, zum 120sten; zitiert nach dfg-vk-bonn-rhein-sieg

“Ich habe gelernt, man brauche sich nicht soviel einzubilden, auch wenn die Kapelle für einen spielt. Auch für dich, wie für alle andern, wird die Stunde kommen, da nicht die Musikkapelle, sondern die Glocke tönen wird.”

Norberto Bobbio, zum 105ten; zitiert nach Dietmar Polaczek

MIT DER NASE
gegen
das Moos. Mit der Nase
gegen den Spiegel. Mit

der Nase
gegen
den Rücken der
Geliebten. Sodass er den Gewehrlauf

im
Nacken
nicht
spürt.

Jan Erik Vold, zum 75sten; in: Zwölf Meditationen, Frauenfeld 2008; Übersetzung: Walter Baumgartner
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tänzeln hinter tapeten – Stimmenrausch 2014-10-17

Eduard Hamm, zum 135sten; Rembrandt Bugatti, zum 130sten; Gottfried Kölwel, zum 125sten; Corinna Harfouch, zum Geburtstag
Maximilian Adler, 70ster Todestag (16. Oktober)
Robert Kempner, zum 115ten; Fryderyk Franciszek Chopin, 165ster Todestag; Adolf Richard Hölzel, 80ster Todestag (17. Oktober)

Zunächst ist es selbstverständlich, daß es [das Proletariat] nachholen wird, was die Bourgeoisie versäumt hat. Es wird alle Reste des Feudalismus wegfegen und das demokratische Programm, welches auch die Bourgeoisie einmal vertreten hat, zur Wahrheit machen.
[…]
Das Monopol auf Bildung den besitzenden Klassen zu entreißen, mußte immer zu den Wünschen des denkenden Teils des Proletariats gehören.

Karl Kautsky, zum 160sten; aus: “Die Expropriation der Expropriateure”, in: Am Tage nach der sozialen Revolution (1902);
exemplarisch für fortschrittliches reden & schreiben, bei opportunistischem handeln und fehlender haltung in der dt. sozialdemokratie

“Bei der Wahl seiner Feinde kann man nicht vorsichtig genug sein.”

Oscar Wilde, zum 160sten; z.n.w.

“Traue den Menschen nicht . Roh und herzlos sind sie alle.”

Otto Mueller, zum 140sten; z.n.w.

Jeden Happen zählt mir das
in den Hals, das schnappt vom Munde
mir das Wort – und ich verlass
eben darauf mich, ihr Hunde!

Jakub Bart-Cisinski, zum 105ten Todestag; im Gedicht “Hunde, Hunde”,
aus: Im Fieber. Gedichte, aus dem Obersorbischen von Peter Thiemann, Albert Wawrik und Kito Lorenc
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