in moosig verkappten schädeln – Stimmenrausch 2014-10-13

Perversity

That day I wore a red gown
Because I could not hide
The warming flame in me – But you
Thought scarlet meant my pride.

And so I wore a black gown,
To prove my humbleness:
But you instead took black to be
A sign of bitterness.

I dare not wear a white gown
My honesty to show:
You’d take it for a shroud, no doubt
Uncomforting as snow.
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seeliges vorbeter(n)glauben – Stimmenrausch 2014-10-04

“An die Kulturwelt! Ein Aufruf
[…]
Glaubt uns! Glaubt, daß wir diesen Kampf zu Ende kämpfen werden als ein Kulturvolk, dem das Vermächtnis eines Goethe, eines Beethoven, eines Kant ebenso heilig ist wie sein Herd und seine Scholle.

Dafür stehen wir Euch ein mit unserem Namen und mit unserer Ehre!”
– 93 Unterzeichnende: Manifest vom 4. Oktober 1914

100 jahre nach dieser rassistischen & nationalistischen schmähschrift steckt die deutsche kulturnation wieder in diversen internationalen konflikten, um mit deutschen waffen und deutscher waffenhilfe deutsche interessen im ausland gewaltsam durchzusetzen. aber sie zeigen sich heute nicht mehr, feige köpfe der intellektuellen friedenszersetzer an den universitäten, in den gewerkschaften, in den kirchen, die diese machenschaften insgeheim gutheißen, weil sie ihrem klassimus entsprechen, der stellvertreterkriege als gewaltige umverteilungsprojekte päppelt sowie freihandel als den neuen “kalten” krieg installiert.
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fideles stillschweigen – Stimmenrausch 2014-10-03

“Writing has laws of perspective, of light and shade just as painting does, or music. If you are born knowing them, fine. If not, learn them. Then rearrange the rules to suit yourself.”

“To me, the greatest pleasure of writing is not what it’s about, but the inner music that words make.”

Truman Capote, zum 90sten (30. September); common
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wie man sie eben heut so hat – Stimmenrausch 2014-09-22

Ricardo Flores Magón, zum 140sten; Alfred Klahr, zum 110ten; Reinhard Döhl, zum 80sten; Breyten Breytenbach, zum 75sten; Arno Behrisch, 25ster Todestag; Livio Maitan, 10ter Todestag; Mary Travers, 5ter Todestag (16. September)
Karl Hillebrand, zum 185sten; Stirling Moss, zum 85sten; Klaus-Jürgen Tillmann, zum 70sten; Reinhold Messner, zum 70sten; Vicente Salias, 200ster Todestag; Walter Savage Landor, 150ster Todestag; René Graetz, 40ster Todestag (17. September)

Die vorgefaßte Meinung ist wohl eine der wichtigsten … Wir würden selbst nachdenken müssen, […]; oft aber können wir nicht selbst denken, und noch öfter sind wir zu bequem dazu. Ohne uns also weiter zu bekümmern, sagen wir in kindlichem Gehorsam nach, was unsere Mutter und Großmutter vor uns gesagt haben, und diese waren doch auch christliche Weiber! Dergleichen Leser sind in der That mehr zu bedauern als zu bestrafen. Sie können bei ihrer gemächlichen Unempfindlichkeit immer ganz fromme Leute sein, denn viele Leute sind auch aus Dummheit fromm, und ihre guten Absichten ersetzen das, was ihnen am Verstande fehlt.

Gottlieb Wilhelm Rabener, zum 300sten; aus: “Von dem Mißbrauch der Satire.” 1751

Wem hab ich zu danken?
Dass ich ihm fluche
Wer hiess mich fremdling
Zu sein mit euch?

Karl Wolfskehl, zum 145sten; aus: “An den alten Wassern IV”, in: Blätter für die Kunst 1902

“Wir leben von der verwelkten Hand in den zahnlosen Mund.”

Jürgen Kuczynski, zum 110ten; z.n.w.
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der grünen taubnuß – Stimmenrausch 2014-09-20

Hans Clarin, zum 85sten; Kate Millett, zum 80sten; Sarah Kofman, zum 80sten; Eckard Sinzig, zum 75sten; Günter Netzer, zum 70sten; Martin Sperr, zum 70sten; Peter Engl, zum 65sten; Maximilian Rosenberg, 45ster Todestag; Ove Sprogøe, 10ter Todestag (14. September)
James Fenimore Cooper, zum 225sten; Moritz Lazarus, zum 190sten; Fritz Overbeck, zum 145sten; Jean Renoir, zum 120sten; Adolfo Bioy Casares, zum 100sten; Orhan Kemal, zum 100sten; Will Quadflieg, zum 100sten; Lucebert, zum 90sten; Rudolf Bartsch, zum 85sten; Halina Birenbaum, zum 85sten; Mehmed Emîn Bozarslan, zum 80sten; August Dickmann, 75ster Todestag; Mala Zimetbaum, 70ster Todestag; Robert Penn Warren, 25ster Todestag; Johnny Ramone, 10ter Todestag (15. September)

Bitternis – Sieh mal her

Bitternis – Sieh mal her
So verläufts
Was Du nach Stunden zählst
Zwischen den Aufgängen der Sonne,
Eine Quadratur aus Erscheinungen und Beweinungen.
Nimm drei, was Dir erscheint,
Mal acht, was Du beweinst,
Zähl vier, wo sich Vergangenes verzehrt.
So seien sie,
Wo Du stehst. Gefunden,
Jene unerbittlich süßen Stunden.
Denen, wenn sie heute weilen,
Sag ich:
weitereilen!
Liegt es da auf dem Tisch
und sagt:
beweg mich!
Nach Gesetzes Gang
zerspringts.

Gerhard Klampäckel, zum 95sten

Wo die Literatur aufhört, ist das Leben zum Kotzen.

Iris Radisch, in ihrer Besprechung in “Die Zeit” 08/95 von Sarah Kofman, Rue Ordener. Rue Labat Autobiographisches Fragment; Tübingen 1995
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wortsmythend – Stimmenrausch 2014-09-15

Die Lobeserhebungen, die man an das ieztlaufende Zeitalter verschwendet, heben sich reichlich gegen die Klagen auf, welche über den Verfall desselben geführt werden; und das achtzehnte Jahrhundert unterscheidet sich von allen vorhergehenden durch die Menge von widersprechenden Komplimenten und Sottisen, die man ihm von allen Seiten aufbürdet. Bei den gutgemeinten Beiwörtern aufgeklärt und philosophisch, womit manche das Zeitalter bestechen zu wollen scheinen, läuft man nicht so sehr Gefahr alle Geduld zu verlieren, als wenn man unbärtige Knaben an deren Seelen die Ammenmilch noch klebt, und entnervte Greise die anfangen von männlicher Energie zu träumen, wenn das Gedächtniß einer beschämenden Würklichkeit in ihnen erloschen ist, unabläßig wehklagen hört, daß Größe und Kraft, und ihre Gefährtinn, die Tugend, ausgestorben sind unter den Menschen.

Ludwig Ferdinand Huber, zum 250sten; in: “Ueber moderne Größe.” 1786 herausgegeben von Friedrich Schiller

Er ist der nackte, schneidende Verstand, der die Natur, die immer unfaßlich und in allen ihren Punkten ehrwürdig und gründlich ist, schamlos ausgemessen haben will und mit einer Frechheit, die ich nicht begreife, seine Formeln, die oft nur leere Worte und immer nur enge Begriffe sind, zu ihrem Maßstabe macht. Er hat keine Einbildungskraft, und so fehlt ihm nach meinem Urteil das notwendigste Vermögen zu seiner Wissenschaft, denn die Natur muß angeschaut und empfunden werden in ihren einzelnsten Erscheinungen wie in ihren höchsten Gesetzen.

Friedrich Schiller, 1797 in einem Brief an Körner über Alexander von Humboldt, dem zum 245sten

Und daß wir Licht und Schwerkraft ganz begreifen,
So hat ein Pol den andern bei den Haaren,
Im kleinsten Winde bläst das Absolute.

Karl Friedrich Gottlob Wetzel, zum 235sten; im Gedicht “Philosophische Poesie”

“In der Jugend lesen wir unsere Dichter freilich ohne allen Commentar, wir folgen ihnen entzückt durch Hell und Dunkel, und das Uebermaß des Genusses, den wir aus dem Verstandenen schöpfen, führt uns über das wenige Klare leicht hinweg, ja nicht selten liegt auch in diesem noch ein Reiz des Ahnungsvollen, der den Genuß erhöht. Ebensowenig wie das allseitige Verständniß des Inhalts kümmert uns der tiefe Bezug des Gedichts zu dem Dichter, wir singen sein Lied und fragen nicht, wie es entstanden sei, wir feiern wol den Namen des Dichters, aber lassen es bei dem Namen bewenden.”

Hermann Marggraff, zum 205ten;
zitiert Karl August Varnhagen von Ense aus “Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften” (1837) in “Schiller’s und Körner’s Freundschaftsbund” von 1859
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kettenrasselnd – Stimmenrausch 2014-09-14

Clara Schumann, zum 195sten; Arnold Schönberg, zum 140sten; John Boynton Priestley, zum 120sten; Julian Tuwim, zum 120sten; Anton Levien Constandse, zum 115ten; Burghart Klaußner, zum 65sten; (13. September)

“Ende der Zwanziger habe ich von unserem Balkon in der Alserstraße die ersten Aufmärsche der Braunhemden und Weißhemden gesehen. Die haben mich mehr beeindruckt als später. Da war eine Urkraft da, ein Fanatismus, gerade weil sie noch nicht so organisiert waren. Sie brüllten: “Juda verrecke, Deutschland erwache!” Ich war auf einer großbürgerlichen Schule, aber in meiner Klasse war bestimmt die Hälfte in der Hitlerjugend.”

“…und aus den Seitenstraßen stießen dann weißbestrumpfte illegale Nazis und sangen in Sprechchören “Volksabstimmung abgesagt, Volksabstimmung abgesagt”. Das geplante Referendum über die Unabhängigkeit fiel aus, der Anschluss ans Deutsche Reich wurde einfach vollzogen. Im Radio lief zum letzten Mal die heimische Bundeshymne, nach zehn Sekunden folgte, in einem schnelleren Marschtempo, das Deutschlandlied. Österreich war zu Ende. Zu Hause saß die Familie ums Radio, Vater, Mutter, zwei Tanten. Das ganze Wochenende hörten wir die Einzelheiten zum Einmarsch. Um 7.15 Uhr am Montag erschien ein Hilfspolizist mit einer SA-Binde und führte meinen Vater weg.”

George Weidenfeld, zum 95sten; aus einen Interview mit Spiegel Online vom 11. September 2009
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macht die pflicht zur kür – Stimmenrausch 2014-09-13

Johann Bernhard Basedow, zum 290sten; Jacob Bernays, zum 190sten; Gert Heinrich Wollheim, zum 120sten; Rudolf Vrba, zum 90sten; Greta Klingsberg, zum 85sten; Juan Almeida, 5ter Todestag; Jim Carroll, 5ter Todestag (11. September)
Frans Drion, zum 140sten; Amílcar Cabral, zum 90sten; Leonard Peltier, zum 70sten; Fustel de Coulanges, 125ster Todestag; Hans Bernoulli, 55ster Todestag; Todestag von Erich Loest und auch Otto Sander (12. September)

“Dichtung ist eine besondere Ekstase.”
“Eine Seele ohne Zwang ist auch ohne Laster.”

z.n.w.

Schmerzen wühlen
Schmerzen, seliges Sichlegen ins Grab –
In Erde all:
Schwanken der Seele zur Höhe –

Die Lüfte sind müde
Schwer vom Fremden,
Vögel darin,
Schwarze Vögel mit harten, bohrenden Seelen
Dunkelrunden Augen,
Blankem bereitem Schnabel.
Schwarzer Scharen fliegendes Fragen,
Zusammenrufen
Dunkelbeutefroher Ruf.

aus: “Weltschwellendes Lied”

Nacht

Dunkel
Vor Gefunkel.
Ihr loses Haar.
So müde
So Friede
Und wunder- wunderklar.

Peter Hille, zum 160sten
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und keine eile – Stimmenrausch 2014-09-12

Friderika Baldinger, zum 275sten; Iwan Kotljarewskyj, zum 265sten; Svend Grundtvig, zum 190sten; Louis Rossel, zum 170sten; Brassaï, zum 115ten; Miroslav Kárný, zum 95sten; Jalal Al-e Ahmad, 45ster Todestag; Lily Hildebrandt, 40ster Todestag; Yilmaz Güney, 30ster Todestag; Meta Merz, 25ster Todestag (9. September)
Charles Sanders Peirce, zum 175sten; Oleksandr Dowschenko, zum 120sten; Émilie du Châtelet, 265ste Todestag; Georges de Beauregard, 30ster Todestag; Max Morlock, 20ster Todestag (10. September)

WIE ENTSTEHT EIN GEDICHT?

Der Dichter Peter Rühmkorf,
nachdem er sich ein Ziel aufgebaut hat,
nimmt einige Meter davor Aufstellung
und läuft hindurch: Applaus.

Gleich stellt er sich wieder auf, kommt
zurück, zerreißt das neu gespannte
Zielband, kehrt jubelnd um.

Auf dem Wege zum Parkplatz hören wir wieder
das Klatschen des Publikums im Stadion.

Reinhard Lettau, zum 85sten
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Das Auftauchen an einem anderen Ort – Stimmenrausch 2014-09-09

Moses Mendelssohn, zum 285sten; Bruno Bauer, zum 205ten; Luise Nordmann aka Harfenjule, zum 185sten; Felix Salten, zum 145sten; Max Schreck, zum 135sten; Carl Grossberg, zum 120sten; Emídio Guerreiro, zum 115ten; Trudi Gerster, zum 95sten; Cyrus Atabay, zum 85sten; Brigid Berlin, zum 75sten;
Klaus Eschen, zum 75sten; Arthur Friedenreich, 45ster Todestag; Erwin Scharf, 20ster Todestag (6. September)
Ludwig Kalisch, zum 200sten; Gala Éluard Dalí, zum 120sten; Michael Guttenbrunner, zum 95sten; Liam O’Flaherty, 30ster Todestag (7. September)
Eduard Mörike, zum 210ten; Alan Dundes, zum 70sten; Alexandra David-Néel, 45ster Todestag; Jean Seberg, 35ster Todestag; Moondog, 15ter Todestag
(8. September)

Doch sicher ist’s zugleich, daß stark und fest
Mit angeborner Heitre er behauptet
Die Festung unbesiegt, daß freudig stark
Der wonnereichen Mus er stets gefolgt.
Denn kein versteckter Pfad, der zu den Schatten
Gepriesner Haine des Parnassus führt,
Blieb unentdeckt von ihm. Kein Bach war dort,
Entsprungen aus dem Quell der Hippocrene,
Dem er nicht nachgespürt bis zu dem Sprudel

Levin Schücking, zum 200sten; aus dem Gedicht “Ein grabloses Epitaphium”

“Wer sich zum Forscher ausbilden will, muß die Originalwerke der Reisenden studiren; so gründlich, daß er nicht nur zwischen den Zeilen zu lesen, sondern die selbst da nicht zum Ausdruck gebrachten Gedanken zu errathen vermag. Er muß den Pfaden der Pfadfinder folgen; auf jede Fußspur, auf jeden geknickten Zweig, auf jedes gefallene Blatt muß er achten.”

August Kekulé, zum 185sten; z.n.w.

“…das Geheimnis der Welt ist nicht hinter den Objekten, sondern hinter den Subjekten zu suchen.”

Jakob Johann von Uexküll, zum 150sten; z.n.w.

“Wenn ich nämlich nichts Neues mehr finde, hör ich sowieso auf. Das ist einmal sicher… Und schreiben möchte ich auch können.”

Maria Lassnig, zum 95sten; aus einem Interview (2000)

“Der Herzschlag symbolisiert unsere Unruhe, die Zerbrechlichkeit, er ist gleichzeitig Selbstporträt und Spiegel unserer Endlichkeit.”

Christian Boltanski, zum 70sten; z.n.w.

“Vom Schlaf zum Tode ist ein kleiner Weg.”

Ludovico Ariosto, zum 540sten; z.n.w.
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