Verwirrt

Sternzeit 1302,3

Heute morgen wachte ich etwas verwirrt auf. Nicht direkt wie Kafka’ s Käfer aber so ähnlich. Ich vergaß, mir die Zähne zu putzen und versuchte, Kaffee zu rauchen. Diesen Fehler bemerkte ich jedoch schnell. Als ich das Haus verließ, hatte ich zwei verschiedene Schuhe an und keinen Schlüssel dabei. Auch den Weg zu meiner Arbeitsstelle fand ich nicht auf Anhieb. Ich machte einen Zwischenstop im Arbeitslosenzentrum, um mich aufzuwärmen. Dort gab es eine Lebensmittelausgabe, an der ich jedoch nicht teilnahm. Mit den Menschen redete ich nicht. Der Forschergeist trieb mich wieder auf die Strasse und in den nächsten Supermarkt, ich hatte keinen marokkanischen Minztee mehr. Ich bezahlte mit meiner Tätowierung und ging in den Park, Tauben füttern. Das war vielleicht mal ein dankbares Publikum ! Ich jonglierte und rezitierte Vonnegut. Das war einer meiner Tinte-auf-Papier-Helden, neben dem Frontkämpfer Vachss. Plötzlich erschien Bernie. ‘Wir machen uns Sorgen’, sagte er. ‘Bei uns läuft auch alles drunter und drüber. Die Maulwurfine musste den Octopus soeben in die Psychiatrie bringen, er hat eine’, er machte eine Pause, ‘Tsychose oder so. Das war doch klar, bei seinem Zackenplanktonkonsum.’ ‘Wir werden ihn besuchen, wenn sie uns lassen.’ sagte ich und packte meine Jonglierbälle ein. Dann nahmen wir den Bus ins Krankenhaus. An der Information spielte das Computersystem verrückt, so dass wir nicht herausfinden konnten, auf welcher Station sie den Octopus untergebrachte hatten. Wir versuchten es zunächst auf den Offenen. Auf AC8 fanden wir ihn schließlich im Raucherzimmer. Er sprudelte förmlich über, so froh war er, uns zu sehen. ‘Die Kameras, die Kameras !’ rief er. Ein Pfleger kam, teilte uns die Uhrzeit mit und sagte, in einer halben Stunde gäbe es Mittagessen. Bernie rief den Frosch an und fragte nach dem Weg zum nächsten Tabakladen. Wir konnten den Octopus ja nicht auf dem Trockenen sitzen lassen. Ein nackter Mann ging über den Flur. Wir versuchten, Vertrauen und Kommunikation zu O. aufzubauen, jedoch verlangte der, endlich Günther, das Schwein zu sprechen. Wir konnten ihm nicht vermitteln, dass Günther tot war. ‘Mein Schweinehund, mein Schweinehund’, rief O. Wir ließen dem Octopus noch seine Hygieneausrüstung zurück und machten uns wieder auf den Weg, auch wenn wir ein mulmiges Gefühl hatten, ihn der Obhut einer obskuren Klinik am Rande des Universums zu überlassen. Ich nahm Kontakt zum Grizzly auf. Der hatte immer so logische Ideen. Meine Haustür sollte kein größeres Problem darstellen.

Sternzeit 1302,4

new one

Sternzeit 1292,5

Das neue Sternenjahr hatte begonnen. Es wartete eine Menge Arbeit auf unsere Freunde im Windmühlenraumschiff. Das Interieur der Dark Shadow benötigte Pflege, Aufmerksamkeit und eine gründliche Überarbeitung. Also fingen sie beim Cockpit an, arbeiteten sich über die Lounge zum Delphinbassin vor und reinigten ihr Zu Hause von den unvermeidlichen Gebrauchsspuren. Auch im Erdgeschoss gab es etwas zu tun. Die Lebensmittelvorräte unterzogen sie einer gründlichen Inventur. Der Transporter erfuhr seinen jährlichen Funktionscheck. Das Kommunikations- und Informationssystem des Grizzly wurde upgedated. Der Delphin funkte die Fortschritte zur Mondbasis, auf der die Meilensteine der Mission festgehalten wurden. Als sie soweit waren, kochte der Octopus einen Kaffee. ‘Freunde der Nacht’, hob er zu einer Dankesrede an. Er hielt sich kurz. ‘Seit nunmehr mehreren Wochen sind wir gemeinsam im All unterwegs. Ein Jeder hat seine Aufgabe gewissenhaft erledigt, sonst ständen wir nicht hier. Lasst Euch danken, aber wir können es uns nicht leisten, zu feiern, darum gibt es heute leider keine coolen Drinks sondern nur einen Kaffee. Haut rein !’

Bernie hatte sich zurückgezogen. Nicht wegen des neuen Sternenjahres, er hielt sowieso nichts von diesem Quatsch, er wollte sich nur eben erden, indem er Kontakt zu seinem Bauch aufnahm. Der schwieg. Das nahm er als gutes Zeichen und haute sich eine Pizza in den Ofen. Da war ja einiges passiert. Er vermisste seine Tigerkäfig doch ein wenig, aber nicht genug, um nicht für die neue Aufgabe dankbar zu sein. Schliesslich schloss er sich noch mit dem Grizzly kurz, um ihm einmal einen Einblick in sein tierisches Bewusstsein zu geben. Hoffentlich würde der nicht durcheinandergeraten. Im Logbuch wurde vermerkt, dass sie sich jetzt seit mehreren Tagen im Orbit von Alpha Centauri befanden und das System genauer erforschen wollten. Der Ameisenbär sorgte sich etwas um den Delphin, der fand das allerdings ganz unnötig und war wieder guter Dinge. Auf die nächste Mission würden sie den Grizzly mitnehmen. Alle waren müde.

Alpha Centauri

Sternzeit 1288,7

Der Octopus hatte sich einen Tee gekocht. Nicht mit Zackenplankton, einen einfachen indischen Tee. Unglücklicherweise war der Wasserkocher irgendwie mit dem Warpantrieb gekoppelt worden, das hieß für unsere 13 Freunde, dass sie sich unvermittelt in einem neuen Sonnensystem wiederfanden, auch wenn das grob geschätzt viereinhalb Lichtjahre entfernt war. Die Sonne hieß Alpha Centauri und sie würden einige Zeit brauchen, um die Planeten auf einen Klasse-M-Planeten zu untersuchen.

Günther: Alles Scheisse.
Giraffe: Kein Wald in Sicht.
Frosch: Mmmmh, endlich springen, mit allen vier Beinen.
Mücke: Vielleicht gibt es Humanoide, die menschliches Blut in sich tragen.
Ameisenbär: Merry Christmas and a happy new year.
Grizzly: Ich bin ja soo depressiv. Wie heisst dieses Gefühl ? Vielleicht Aachen ?
Delphin: Wo ist meine Freundin ?
Octopus: Dreh lauter.
Fledermaus: Hoffentlich beisst Ozzy Osbourne mir nicht den Kopf ab.
Maulwurfine: Lecker Kekse. Weisst du es auch nicht ? Das beruhigt mich ungemein.
Schildkröte: Wie war das im Mittelteil ?
Spinne: Wo ist mein Netz ? Grizzly, hilf mir !
Bernie: Lasst uns Sonnensegeln.

Plötzlich gab es Kaffee. Der Frosch rauchte eine. Die Maulwurfine ging mit dem Delphin vor die Tür, einige Alltagsprobleme abzukaspern, zum Beispiel, würde sie den Delphinfunk mitbenutzen dürfen. Die Dark Shadow befand sich im Orbit von Alpha Centauri und würde eine Weile dort bleiben. Eventuell ein ganzes Jahr lang. Okay, heute war Bernie mit Logbuch dran. Er schrieb einen Gruss an die Heimat, den Planeten Erde, der von Millionen oder Milliarden Tieren bevölkert wurde, nicht nur von…. Patienten. Kamera in Mondstation: Zoom auf das Fahrzeug. Für die Menschen war all das komplett unbedeutend, leider. Cu soon. Schlaf. Außerdem pflanzten sie Tabak an.

Kurs gesetzt

Sternzeit 1287,3

So ging die Zeit ins Land. Wir hatten den Kurs gemäß den Angaben des Octopus gesetzt. Die Dark Shadow sah vielleicht aus wie eine Windmühle aus dem Mittelalter, war jedoch ein voll funktionstüchtiges Raumschiff. Die Fledermaus und die Spinne hatten heute morgen eine Idee gehabt. Wir würden dem Grizzly Geschichten vorlesen, damit er Selbsterkenntnis gewann. Der Ameisenbär hatte ja bereits damit begonnen. Bernie und die Maulwurfine waren heute morgen etwas länger in ihren Kojen geblieben. Als sie zu uns stießen, wunderten sie sich doch sehr, dass die Giraffe ein Märchen vorlas. Aber dann fanden sie die Idee so gut, dass wir dem Grizzly die Entscheidung, was er als nächstes hören wollte, selbst überlassen wollten. Seltsamerweise wollte er etwas aus dem Galaterbrief hören. Wer hatte jemals etwas von einem gläubigen Computer gehört ? Inzwischen nahmen wir Kurs auf Alpha Centauri, den wir passieren mussten, bevor wir in die Nähe unseres Zielquadranten gelangten. Zur Zerstreuung legte der Octopus etwas Musik auf, überließ die Steuerung dem Grizzly und gab uns heute abend frei. Von der Mondbasis kamen Neuigkeiten. Das Mondfahrzeug inspizierte inzwischen unseren Außenposten. Wie gut, dass wir keinerlei böse Absichten hegten und das auch kommunizieren konnten. Wir wollten als Forscher betrachtet werden und machten das so den Amerikanern auch klar. Inzwischen hatten wir alle wieder unsere eigenen Schuhe an, das nur am Rande. Die Maulwurfine hatte Kekse für alle gebacken. Und so saßen wir bei leiser Hintergrund den ganzen Abend beisammen, erzählten dem Grizzly von unserer Reise zum Herrn der Gezeiten, ja wir lasen ihm sogar aus dem Logbuch vor und gingen gut gelaunt ins Bett. Wir trauten dem Grizzly einiges zu. Wir hatten ihm Vertrauen beigebracht.