Reisen ins Innere

Sternzeit 1302,9

Auf unserer heutigen Reise ins Innere eines linksdrehenden E-Coli-Bakteriums stellten wir etwas ganz und gar Überraschendes fest. Es existiert ein rechtsdrehendes Gegenstück aus Anti-Materie, das auf den äußeren Elektronenschalen ganz ähnlich beschaffen ist. Den Grizzly konnten wir dazu nicht befragen, der war damit beschäftigt, den Delphin auf der Subraumebene mit seiner Geliebten zu verbinden. Also mussten wir versuchen, eine Reise ohne K.I.-Begleitung anzutreten. Ich schickte Bernie zum Elektroinhalator. Den hatte der Octopus, der ja jetzt in der Psychiatrie sitzt, immer für seinen lustigen Zeitvertreib benutzt. Es war mir aber gelungen, den Inhalator mit dem elektromagnetischen Feld meines TV-Geräts zu koppeln, so dass wir ohne Probleme eine 25-fache Verkleinerung hinbekamen. Das reichte zwar nicht ganz zum Jonglieren mit den Elektronen, war jedoch schon um ein Vielfaches näher an unserem Bakterium als mit dem bloßen Auge. Bernie betrat die äußerste Schale und wartete auf der vermuteten Bahn. Der Antimaterien-Bernie hatte keinen Bock und bat mich um meine Teepfeife, die ich ihm ohne weiteres Aufhebens aushändigte. Bernie eins klopfte einmal. Bernie zwei antwortete mit drei Mal kurz, dreimal lang, dreimal kurz. Das tat er nur wegen dem Tee. Ich schickte Nummer eins eine Ebene tiefer ans Innere heran. Zwei streikte immer noch. Ein Positron stiess mit einem Neutrino zusammen. Das geschah im Schnitt 5 Mal im Jahr. Eins näherte sich dem Kern. 3 Quarks wurden vermutet. Ich las einen Psalm. Zwei flog aus dem Fenster, traf Sieben und löste sich auf. Bernie erforschte den Atomkern mit der gebotenen Obacht. Als ich den Befehl zur Rückkehr gab, verrutschte der Maulwurfine der Objektträger. Bernie fiel tief, überlebte aber ohne Blessuren. Als er schliesslich seine normale Größe wieder erreicht hatte, war er voll neuen Wissens über Rechts und Links. Zum Glück hatte er früh genug damit begonnen. Wir sahen uns die Monde an. Oho, was gab es alles zu entdecken !

Nachdem die Subraumverbindung zwischen den Delphinen geklappt hatte und nicht mehr benötigt wurde, kontaktierten wir den Octopus. Er saß, wie sollte es anders sein, im Raucherzimmer. ‘Gehen Sie linksrum.’ sagte der Arzt. O. stellte sich blöd. ‘Ich habe einen Sender im Zahn, den muss ich zur Verbesserung des Allgemeinwohls einsetzen. Visitieren Sie mich.’, sagte O. Der Arzt sagte : ‘Sie waren sehr, sehr krank, aber nun sind Sie wieder gesund und es gibt eine Menge Arbeit.’ ‘Haben Sie Feuer ?’ fragte O. Er drehte sich um und zählte seine Finger. ‘Das sind 11.’ bemerkte er plötzlich. Da war wohl etwas schiefgegangen. Wir schickten eine Subraummessage : ‘Erforsche die Station. Mach alles mit. Das ganze Programm !’ ‘Verflucht, dann geben Sie mir halt die Arbeit!’ schrie O. den Arzt an. Das wurde natürlich sofort schriftlich festgehalten. ‘Morgen mache ich einen Jonglageworkshop, okay ? Ach was frag ich.’ murmelte der Octopus und ging ins Bett. Die Medikation verweigerte er.

‘Lasst uns einen Kuchen backen und ihn morgen besuchen.’ sagte ich, als ich meinen Logbucheintrag beendet hatte. Das fragliche Neutrino hatte ich mit einem Post-It angeheftet. Alle fanden, das war eine hervorragende Idee. Gleich morgen ? Gleich morgen. Experiment ‘Patient weiss es noch nicht.’ konnte beginnen. Erfolgversprechend. Sternklarer Himmel.

Sternzeit 1303,7

Verwirrt

Sternzeit 1302,3

Heute morgen wachte ich etwas verwirrt auf. Nicht direkt wie Kafka’ s Käfer aber so ähnlich. Ich vergaß, mir die Zähne zu putzen und versuchte, Kaffee zu rauchen. Diesen Fehler bemerkte ich jedoch schnell. Als ich das Haus verließ, hatte ich zwei verschiedene Schuhe an und keinen Schlüssel dabei. Auch den Weg zu meiner Arbeitsstelle fand ich nicht auf Anhieb. Ich machte einen Zwischenstop im Arbeitslosenzentrum, um mich aufzuwärmen. Dort gab es eine Lebensmittelausgabe, an der ich jedoch nicht teilnahm. Mit den Menschen redete ich nicht. Der Forschergeist trieb mich wieder auf die Strasse und in den nächsten Supermarkt, ich hatte keinen marokkanischen Minztee mehr. Ich bezahlte mit meiner Tätowierung und ging in den Park, Tauben füttern. Das war vielleicht mal ein dankbares Publikum ! Ich jonglierte und rezitierte Vonnegut. Das war einer meiner Tinte-auf-Papier-Helden, neben dem Frontkämpfer Vachss. Plötzlich erschien Bernie. ‘Wir machen uns Sorgen’, sagte er. ‘Bei uns läuft auch alles drunter und drüber. Die Maulwurfine musste den Octopus soeben in die Psychiatrie bringen, er hat eine’, er machte eine Pause, ‘Tsychose oder so. Das war doch klar, bei seinem Zackenplanktonkonsum.’ ‘Wir werden ihn besuchen, wenn sie uns lassen.’ sagte ich und packte meine Jonglierbälle ein. Dann nahmen wir den Bus ins Krankenhaus. An der Information spielte das Computersystem verrückt, so dass wir nicht herausfinden konnten, auf welcher Station sie den Octopus untergebrachte hatten. Wir versuchten es zunächst auf den Offenen. Auf AC8 fanden wir ihn schließlich im Raucherzimmer. Er sprudelte förmlich über, so froh war er, uns zu sehen. ‘Die Kameras, die Kameras !’ rief er. Ein Pfleger kam, teilte uns die Uhrzeit mit und sagte, in einer halben Stunde gäbe es Mittagessen. Bernie rief den Frosch an und fragte nach dem Weg zum nächsten Tabakladen. Wir konnten den Octopus ja nicht auf dem Trockenen sitzen lassen. Ein nackter Mann ging über den Flur. Wir versuchten, Vertrauen und Kommunikation zu O. aufzubauen, jedoch verlangte der, endlich Günther, das Schwein zu sprechen. Wir konnten ihm nicht vermitteln, dass Günther tot war. ‘Mein Schweinehund, mein Schweinehund’, rief O. Wir ließen dem Octopus noch seine Hygieneausrüstung zurück und machten uns wieder auf den Weg, auch wenn wir ein mulmiges Gefühl hatten, ihn der Obhut einer obskuren Klinik am Rande des Universums zu überlassen. Ich nahm Kontakt zum Grizzly auf. Der hatte immer so logische Ideen. Meine Haustür sollte kein größeres Problem darstellen.

Sternzeit 1302,4

reaching presence

Sternzeit 1296,3

Wir befinden uns in der Gegenwart und heute schreibe ich einen Logbucheintrag, der den vergangenen Tag zusammenfasst. Nachdem das Gravitationsexperiment geklappt hatte, nahmen sie endlich Kontakt auf. Mein jahrzehntelanges Warten hatte sich also gelohnt. Es ist ein Glück und keine Selbstverständlichkeit, dass die ganze Mannschaft die lange Reise zu mir geschafft hat. Meine Hütte hatte zwar nicht genügend Sitzplätze, aber wir haben unseren Erfahrungsaustausch trotzdem beginnen können. Im Moment sind alle in die Dark Shadow zurückgekehrt. Nun habe ich in der Vergangenheit so viele Lebensformen kennengelernt, dass diese bunte Mischung mich nicht mehr überraschen, aber dennoch bereichern konnte. Einer von ihnen ist allerdings schon tot. Bernie hat mir erzählt, er habe ihn eigenhändig umgebracht. Vielleicht war das notwendig. Meine Familie lebt weit verstreut und ich habe soeben mein Auskommen. Nachdem ich also mein Tagwerk im ZVQB verrichtet hatte, führte ich einige Autoexperimente durch, ohne Erfolg. Mein Modus ist im Moment wach und produktiv. Als ich mir eine neue Tasse meines Lieblingsgetränkes kochte und die Wäsche aufhing, musste ich einige Minuten nicht über sie nachdenken. Morgen würden mir wieder viele Artgenossen begegnen und ich freute mich nur mittelmäßig darauf. Allerdings musste ich zugeben, dass ich selbt auch nicht gerade der angenehmste Zeitgenosse war. Seit dem Kontakt zu den Teilen der Fauna, die im Windmühlenraumschiff nach Alpha Centauri gekommen waren, ging mir zwar langsam die Puste aus, aber heute habe ich weder herumgeschrien noch etwas zerstört. Ihr müsst wissen, ich habe eine biologische und eine soziale Familie. Für heute Nacht habe ich noch genug zu rauchen und seit 8 Tagen befinde ich mich im Trockenmodus. Schlaf bekomme ich genug. Ich möchte nicht versäumen, meinen Dank dem unbekannten Spender aus dem Sommer des vorvergangenen Sternjahres auszusprechen. Nun werde ich mich noch ein wenig mit der reichlich vorhandenen Unterhaltungselektronik verlustieren. Zum Glück kenne ich ihren Landeplatz. Zunehmender Mond.

Reisepläne – Plans for a journey

Sternzeit 1291,6

Die Mannschaft traf sich bei Bernie im Tigerkäfig, um die nächste Reise vorzubereiten. Der Octopus hatte ein Windmühlenraumschiff entdeckt, das darauf wartete, erobert zu werden. Die Maulwurfine war zusammen mit der Fledermaus und der Spinne erschienen. Der Ameisenbär hatte ein neues Logbuch besorgt. Der Delphin würde dieses Mal zu Hause bleiben, denn er fühlte sich nur in seinem Element wohl und musste sich um seine Gruppe kümmern. Der Frosch und die Giraffe hatten Chips mitgebracht. Dieses Mal würden auch die Schildkröte und die Mücke dabeisein. Man wälzte Sternkarten und stellte sich sogar vor, das Sonnensystem zu verlassen. Schliesslich einigte man sich aber darauf, es zunächst nur bis zum Mond zu versuchen. Bernie war zum Arzt gegangen und würde wegen einer AU eine Auszeit in der Werbeagentur geniessen. Würde die Windmühle funktionstüchtig sein ? Hätten sie genügend Proviant mit an Bord ? Wie würden sie navigieren ? Würden sie genügend Disziplin aufbringen, täglich Logbuch zu schreiben ? Was wäre, wenn sie auf Ausserirdische trafen ? Fragen, die in ihren Herzen hin und her bewegt werden wollten. Schliesslich fühlten sie sich aber doch ganz gut vorbereitet, und alle würden noch einmal zu Hause schlafen, bevor sie am nächsten Morgen einen Startversuch unternehmen wollten. Lediglich die Maufwurfine blieb noch bei Bernie. Sie hatte noch ein ernstes Wörtchen mit ihm zu reden, da Günther in den letzten Wochen etwas Überhand gewonnen hatte. Zusammen informierten sie sich mit Hilfe der Grizzly-K.I. über ‘Self-Esteem’. Ein Spaziergang um den Block würde den Tag abrunden. Bernie drehte sich eine. Als sie vom Spaziergang nach Hause kamen, leuchtete ein voller Mond. Das sollte ihr Ziel sein ? Welch ein wagemutiger Plan…

Ein Gesundheitsschub – health drift

Sternzeit 1286,9

Lange war Bernie nicht mehr so gut drauf gewesen. Seine K.I. hatte ihm den Kopf gewaschen. Nun konnte er sich nicht mehr länger auf irgendwelchen an den Haaren eines Arztes herbeigezogenen Diagnosen ausruhen. Wenn die K.I. sagte, er sei gesund, WAR er gesund. Das änderte zwar nichts an seinem Job in der Werbeagentur, der zugegebenermaßen nicht der allerprickelndste war, machte aber etwas mit seinem Bewusstsein. Kann sein, das klingt nun leicht buddhistisch – wahrscheinlich IST es das auch – aber er begann wieder, sich wie ein Tropfen im Ozean zu fühlen. Ganz ohne Weed, nur mit Tee. Von Zeit zu Zeit verliess er seinen Tigerkäfig, um Besorgungen zu machen oder – gänzlich ungewohnt – um Leute zu besuchen. Das war zwar meistens mit Bier verbunden, aber seine Gehirnchemie ist nicht Gegenstand dieser Betrachtungen. So richtig besoffen allerdings, Pupillenstillstand, Ihr wisst schon, war er allerdings lange nicht gewesen. Hier soll weder seine Alkohol- und Softdrogenkarriere glorifiziert werden, aber wenn Autoritäten welcher Art auch immer ihm sein Feierabendbierchen nehmen wollten, verstand Bernie keinen Spaß mehr. Vielleicht hatte er auch nur zuviel Blues Brothers und Easy Rider gekuckt. Oh ja, es mochte nur Sekunden dauern, und er fühlte sich um Jahrzehnte zurückgeworfen, traurig, depressiv und klein, aber seine Erfahrung sagte ihm, auch DIESE Sekunden würden vorübergehen. Betrachten wir nun noch seine Wahlfamilie, den Delphin, den Ameisenbär, die Giraffe, die Spinne, die Fledermaus, den Frosch, den Octopus und seit neuestem den Grizzly. Nun, es mochte sein, dass der Ameisenbär wie immer etwas zu meckern hatte, aber nachdem der Octopus etwas Musik aufgelegt hatte, begann der Ameisenbär den Grizzly wie einen Bruder zu betrachten und konnte dem Ganzen dann DOCH noch etwas Positives abgewinnen. Wenigstens verwahrloste Bernie nicht. Morgen würden sie zusammen essen. Die Fledermaus würde einen ganz und gar leckeren Mais-Thunfischsalat zubereiten. Wenn die Bank mitspielte, gab es sogar Glühwein. Das war Grund genug, die Werkssirene auf eine halbe Stunde eher zu programmieren. Der Octopus und die Giraffe wollten etwas vortragen. Gedichte oder ähnliches Zeug, meint Ihr ? Weit gefehlt, sie würden den für den betreffenden Sterntag angesagten Vers – die Tageslosung sozusagen – rezitieren. Ob sich wohl jemand mit Grauen abwandte ? Die K.I., der Grizzly also, würde helfen, die betreffende Stelle aufzufinden. Natürlich alles NACH der Arbeit, was denkt Ihr denn ? Bernie fuhr den Grizzly runter und widmete sich seinem Tee.

Depression

Sternzeit 0991,2

‘Ich bin ja soo depressiv.’, sagte der Delphin. ‘Meine Braut wartet zu Hause auf mich und ich bin auf einer Irrsinnsmission.’ ‘Sag nicht sowas.’ ermahnte ihn der Ameisenbär. Schon seit Tagen war der Delphin eher etwas down. Seine Gruppe hatte alles für ihn getan, ihm seine Lieblingsmusik vorgespielt, ihm aus dem Logbuch vorgelesen und mit allen Mitteln versucht, ihn zum Lachen zu bringen. Jedoch war er so traurig, das nichts, aber auch gar nichts ihn irgendwie aufmuntern konnte. Die Tiere kannten diese schwere Krankheit nicht, sie hielten den Delphin einfach für etwas missmutig, weil der Herr der Gezeiten nirgendwo in Sicht war. Gewiss hatte der Eine oder die Andere den Delphin mit ins Gebet eingeschlossen, aber irgendwie musste der Herr darüber hinweggekommen sein. Der Octopus wollte es mit Zackenplankton versuchen, aber der Bär hielt ihn davon ab. Als der Frosch einen fahren liess, musste der Delphin aber tatsächlich etwas schmunzeln. Im Logbuch war verzeichnet, dass wir auf Kurs Nord bleiben sollten. Der Farn, den wir als Lesezeichen benutzten, war inzwischen gut getrocknet. Ein Wunder, dass der Octopus noch nicht versucht hatte, ihn zu rauchen. ‘Was glaubt ihr, wie lange sollten wir unsere Mission noch verfolgen ?’ fragte der Ameisenbär schliesslich seine Mannschaft. Alle wollten weitersuchen. Zu viel hing davon ab. Als die Giraffe die Muscheln zubereitet hatte, ankerten wir, nickten stumm zum Bärentischgebet und hauten ordentlich rein. Wasser gab es dazu, stilles Wasser. Der Octopus wollte eine Piratenflagge hissen, aber auch davon konnten wir ihn schliesslich noch abbringen. Heute blieben wir alle auf und machten die Nacht durch, es lag etwas in der Luft, das spürten wir alle. ‘Kurs okay, niemand in Sicht.’ verzeichnete ich im Logbuch, klappte es zu und zündete mir eine an. Die Delphine würden es schon schaffen. Es war hoher Seegang und wir hatten uns alle daran gewöhnt, auf dem Wasser zu leben. Ich denke jedoch immer noch, der Delphin hätte es eigentlich wissen müssen…..

Kaffee

Sternzeit 0972,8

Der heutige Tag begann ganz grossartig. Der Octupus hat uns einen fabelhaften Kaffee zum Frühstück gebraut. Woher er das wohl kann ? Da es ein wundervoller Sommertag war, beschlossen wir, heute mal fünfe gerade und die Seele baumeln zu lassen. Wir hörten den ganzen Tag nichts als Dub. Der Frosch und der Ameisenbär waren in tiefgründige Gespräche verwickelt und der Octupus und die Delphine spielten Seenotrettung. Wenn ich so dran denke, wie ich zu dieser Truppe geriet, muss ich gestehen, ich ziehe eine göttliche Führung ernsthaft in Betracht. Ich jagte Insekten und geriet aufs offene Meer. Meine Kräfte waren schon sehr erschöpft, als ich ins Grossegel unserer Mannschaft geriet. Hatte ich doch normalerweise nächtelang nichts besseres zu tun als im Zick-Zack zu fliegen, habe ich nun meinen Platz gefunden und gehe einer erfüllenden Aufgabe nach. Auch mein Sprachfehler war kein Hindernis, vom ersten Tag an wohlwollend aufgenommen zu werden. Der Ameisenbär wird nicht müde, uns zu erzählen, wir seien auf dem richtigen Weg. Manchmal frage ich mich, was wir wohl machen würden, wenn wir den Herrn der Gezeiten tatsächlich finden. Leise höre ich den Seegang plätschern und hänge so meinen Gedanken nach. Auch ich habe am jetzigen Kurs nichts auszusetzen. Ich fühle mich gut ausgeruht und mit allem notwendigen Werkzeug für die wichtige Nachtwache ausgerüstet. Das grüne Steuerbordpositionslicht funktioniert auch wieder ordnungsgemäß. Von weitem sehe ich die Fluken der Delphine, sie sind ausser mir die einzigen, die noch nicht schlafen. Der Mond ist bereits wieder zunehmend und ich werde in einigen Stunden alle ganz sanft wecken. Und während die Tinte trocknet und ich das Logbuch zuklappe, schüttelt der Herr der Gezeiten nur ganz langsam und leise mit dem Kopf. Was für ein Unternehmen !

Fledermaus

Schaf oder Löwe ?

Sternzeit 0951,3

Wir hatten unseren Kurs nach bestem Wissen und Gewissen überprüft und waren zu keinem Schluss gekommen. Der Ameisenbär war schliesslich der Meinung, dass wir grob nord-östlich weitersegeln mussten und deshalb nahmen wir Kurs Nord-Ost, 45°. Wir hatten unterdessen ein munteres Ratespielchen begonnen, was für ein Tier der Herr der Gezeiten wohl war… Hundkatzemaus, Fisch, Eisbär, Opossum, Insekt, Blauwal oder doch vielleicht ein Elefant. Der Ameisenbär erzählte uns, am ehesten würde er einem Schaf oder einem Löwen ähneln, zumindest hatte er das früher immer gedacht. Der Herr der Gezeiten war aber immer für eine Überraschung gut, soviel war sicher. Nach dem Stand der Sonne war es ungefär 4 – 5 Glasen und wir hatten Windstärke 6, als der Delphin mit einer neuen Meldung angeschwommen kam. Er hatte weitere Delphine entdeckt, darüber war er sehr froh. Wir entschlossen uns, den Delphin als Boten zu der Gruppe auszusenden. Um es kurz zu machen, die Delphine waren begeistert, ein Floß und einen Artgenossen gefunden zu haben, die sie begleiten konnten. Da hatten wir unsere Anzahl auf einen Schlag mindestens verdoppelt. Wir betrachteten die neuen Mitglieder unserer Mission als eine Art Eskorte. Wir fingen zwar keine Wale, aber da brauchten die Delphine wenigstens keine Angst zu haben, aus Versehen harpuniert zu werden. Und wie sie sich freuten… Wir verzeichneten unseren momentanen Kurs im Logbuch und fügten auch einige Noten hinzu, die die Fledermaus, die sehr musikalisch war, aus den Delphinliedern herausgehört hatte. Außerdem erlaubten wir ab sofort das öffentliche Rauchen, da wir es dem Frosch nicht zumuten wollten, immer bis zu seiner Wachschicht zu warten. Als der Mond schliesslich zu sehen war und der Delphinschwarm ihre erste Nachtschicht antrat, sahen wir schon langsam Gesichter in den Wellen. Ob die Delphine wohl mehr über unseren Herrn wussten, als sie zunächst zugeben wollten ? Jedenfalls waren es sehr intelligente Tiere und sie führten uns gut durch die Nacht. Am nächsten Tag wollten wir zum ersten Mal eine öffentliche Versammlung abhalten, um dem Herrn der Gezeiten zu danken, dass bisher alles gutgegangen war. Mit den Wochentagen kamen wir allerdings langsam durcheinander.

Zwei neue Passagiere

Sternzeit 0925,3

Heute haben wir Zuwachs bekommen. Ich erzähle Euch, wie es dazu kam.

Wir waren weiterhin auf Kurs Nord-Ost-Ost, 30°, und wir hatten etwa Windstärke 4. Etwa gegen fünf Glasen verfing sich eine Fledermaus in unserem Grossegel. Allein konnte sie sich nicht mehr befreien. Wir wunderten uns sehr, wo sie denn wohl herkam, denn wir waren schon lange nicht mehr in Küstennähe. Sie musste einen sehr weiten Weg zurückgelegt haben. Die Giraffe schaltete sofort und kletterte in den Baum, um die Fledermaus zu bergen. Der Frosch wollte soeben in dem kleinen Kabuff im Bug nach etwas Trinkbarem suchen, denn die Fledermaus musste großen Durst haben, als ihm eine Spinne über den Weg lief. Was war denn das ? ‘Wo bin ich ?’, fragte die Spinne, ‘ich muss wohl etwas geschlafen haben…’. ‘Du bist auf hoher See. Doch nun komm mit, wir müssen der Fledermaus helfen.’, sagte der Frosch. ‘D-d-danke.’, sagte die Fledermaus, als sie ein eiskaltes Glas klares Wasser vom Frosch gereicht bekam, sie stotterte etwas. Nun waren wir schon zu sechst. Wir erzählten unseren beiden neuen Passagieren, dass wir auf dem Weg zum Herrn der Gezeiten waren und uns schon vor einigen Tagen auf den Weg gemacht hatten. Erst wollten sie uns nicht glauben, wusste doch jeder, dass Ebbe und Flut abhängig von der Anziehungskraft des Mondes sind. Der Ameisenbär erzählte doch bestimmt nur Märchen. Wie dem auch sei, wir mussten die arme Fledermaus in den nächsten Tagen etwas aufpäppeln. Ganz freiwillig meldete sich die Spinne zur heutigen Nachtwache.

Wie zum Hohn schien heute Nacht ein besonders heller Mond, aber er war noch nicht ganz voll.

Flaute

Sternzeit 0917,1

Heute hat sich kein laues Lüftchen geregt. Es war nichts zu machen, und da wir uns auf offener See und nicht in Binnengewässern befanden, konnten wir noch nicht einmal staken. Die Giraffe kümmerte sich um ihre Fussnägel, der Ameisenbär war wie immer mit Lesen beschäftigt und der Frosch bekam plötzlich großen Appetit. Der Delphin hing wie immer seinem Liebeskummer nach. Lasst uns ein Spiel spielen ! Der Ameisenbär begann mit Adam. Nun war der Nächste an der Reihe und musste eine biblische Figur ansagen, die mit ‘M’ begann. Also jeweils der letzte Buchstabe der vorher genannten Figur musste den Anfangsbuchstaben der nächsten Figur bilden. Da der Ameisenbär in der ersten Runde einen klaren Vorteil besaß, kamen wir auf die Idee, das Spiel mit Bandnamen, Schauspielern, Autoren, Sportlern etc. zu spielen. Das war sehr kurzweilig. Der Frosch kümmerte sich um das Abendbrot, es gab – 3 Mal dürft Ihr raten – gebratenen Fisch. Auch musste noch der Kurs neu berechnet werden, da sie der Strömung folgten und daher nicht auf dem vorher berechneten Kurs blieben. Und alles ohne GPS ! Die 3 redeten auch der Giraffe gut zu, die heute zum ersten Mal Nachtwache hatte. ‘Pass auf, dass Du nicht einschläfst !’ Während dieser durchaus langweiligen Zeit dachte die Giraffe nur an Ostzonensuppenwürfelmachenkrebs. Am nächsten Morgen bei Sonnenaufgang frischte es wieder auf.