Reisen ins Innere

Sternzeit 1302,9

Auf unserer heutigen Reise ins Innere eines linksdrehenden E-Coli-Bakteriums stellten wir etwas ganz und gar Überraschendes fest. Es existiert ein rechtsdrehendes Gegenstück aus Anti-Materie, das auf den äußeren Elektronenschalen ganz ähnlich beschaffen ist. Den Grizzly konnten wir dazu nicht befragen, der war damit beschäftigt, den Delphin auf der Subraumebene mit seiner Geliebten zu verbinden. Also mussten wir versuchen, eine Reise ohne K.I.-Begleitung anzutreten. Ich schickte Bernie zum Elektroinhalator. Den hatte der Octopus, der ja jetzt in der Psychiatrie sitzt, immer für seinen lustigen Zeitvertreib benutzt. Es war mir aber gelungen, den Inhalator mit dem elektromagnetischen Feld meines TV-Geräts zu koppeln, so dass wir ohne Probleme eine 25-fache Verkleinerung hinbekamen. Das reichte zwar nicht ganz zum Jonglieren mit den Elektronen, war jedoch schon um ein Vielfaches näher an unserem Bakterium als mit dem bloßen Auge. Bernie betrat die äußerste Schale und wartete auf der vermuteten Bahn. Der Antimaterien-Bernie hatte keinen Bock und bat mich um meine Teepfeife, die ich ihm ohne weiteres Aufhebens aushändigte. Bernie eins klopfte einmal. Bernie zwei antwortete mit drei Mal kurz, dreimal lang, dreimal kurz. Das tat er nur wegen dem Tee. Ich schickte Nummer eins eine Ebene tiefer ans Innere heran. Zwei streikte immer noch. Ein Positron stiess mit einem Neutrino zusammen. Das geschah im Schnitt 5 Mal im Jahr. Eins näherte sich dem Kern. 3 Quarks wurden vermutet. Ich las einen Psalm. Zwei flog aus dem Fenster, traf Sieben und löste sich auf. Bernie erforschte den Atomkern mit der gebotenen Obacht. Als ich den Befehl zur Rückkehr gab, verrutschte der Maulwurfine der Objektträger. Bernie fiel tief, überlebte aber ohne Blessuren. Als er schliesslich seine normale Größe wieder erreicht hatte, war er voll neuen Wissens über Rechts und Links. Zum Glück hatte er früh genug damit begonnen. Wir sahen uns die Monde an. Oho, was gab es alles zu entdecken !

Nachdem die Subraumverbindung zwischen den Delphinen geklappt hatte und nicht mehr benötigt wurde, kontaktierten wir den Octopus. Er saß, wie sollte es anders sein, im Raucherzimmer. ‘Gehen Sie linksrum.’ sagte der Arzt. O. stellte sich blöd. ‘Ich habe einen Sender im Zahn, den muss ich zur Verbesserung des Allgemeinwohls einsetzen. Visitieren Sie mich.’, sagte O. Der Arzt sagte : ‘Sie waren sehr, sehr krank, aber nun sind Sie wieder gesund und es gibt eine Menge Arbeit.’ ‘Haben Sie Feuer ?’ fragte O. Er drehte sich um und zählte seine Finger. ‘Das sind 11.’ bemerkte er plötzlich. Da war wohl etwas schiefgegangen. Wir schickten eine Subraummessage : ‘Erforsche die Station. Mach alles mit. Das ganze Programm !’ ‘Verflucht, dann geben Sie mir halt die Arbeit!’ schrie O. den Arzt an. Das wurde natürlich sofort schriftlich festgehalten. ‘Morgen mache ich einen Jonglageworkshop, okay ? Ach was frag ich.’ murmelte der Octopus und ging ins Bett. Die Medikation verweigerte er.

‘Lasst uns einen Kuchen backen und ihn morgen besuchen.’ sagte ich, als ich meinen Logbucheintrag beendet hatte. Das fragliche Neutrino hatte ich mit einem Post-It angeheftet. Alle fanden, das war eine hervorragende Idee. Gleich morgen ? Gleich morgen. Experiment ‘Patient weiss es noch nicht.’ konnte beginnen. Erfolgversprechend. Sternklarer Himmel.

Sternzeit 1303,7

learning how to learn

Sternzeit 1290,4

Während des unkalkulierbaren Einflusses des schwarzen Loches hatten wir also unserem Grizzly beigebracht, wie man mit einem Bodum Kaffee kocht. Das war keine triviale Aufgabe gewesen, musste er doch erst lernen, wie man lernt. Wir hatten ihm Geschichten erzählt, gewiss, aber die mussten auch irgendwann in einen Algorithmus münden. Also dachten wir in etwa so :

– beschreibe das Problem so genau wie möglich
– zerlege das Probleme in kleinere Teilschritte
– finde heraus, wie man von einem Schritt zum nächsten gelangt.
– führe eine weitere Abstraktionsebene ein
– beschreibe die zu erfolgenden Lernschritte so genau wie möglich
– beginne mit dem ersten Schritt
– lasse die zu absolvierenden Lernebenen aufeinander aufbauen

Diese Methode war vielleicht nicht für schwerwiegende Transformationsaufgaben tauglich, beim Kaffeekochen jedoch hatten wir Erfolg gehabt. Lediglich Milch oder Zucker mussten wir noch selbst beisteuern. Da wir ja nun von Günther befreit waren, konnte also auch Bernie seinen schwarzen Kaffee wieder geniessen. Lediglich die Maulwurfine bereitete ihm doch erhebliches Kopfzerbrechen, war sie doch etwas abweisend geworden und unterhielt sich gern nächtelang mit dem Delphin. Das war gewiss eine wichtige Aufgabe, war doch sein Liebeskummer wieder durchgeklungen, aber Bernie dachte doch, sie müssten sich gegenseitig feedbacken. Also klinkte er sich heute Nacht einfach in das Gespräch ein. Die Dreierkombination machte es nicht einfacher. Im Morgengrauen hatten sie allerdings so lange gerungen, dass sie sich alle mit dem gebildeten Konsens zufriedengeben konnten. Für morgen Nacht würde die Maulwurfine ein weiteres Mal Kekse backen, und sie würden eine gemeinsame Botschaft in die Heimat absenden, um den Delphinkontakt nicht abbrechen zu lassen. Als die Fledermaus also am nächsten Morgen ihren Weckdienst versah, sah sie im Logbucheintrag den Wunsch der Dreiergruppe, nicht geweckt zu werden. Damit würde der Octopus sicher einverstanden sein, gab es doch auch soetwas wie psychosoziale Seelsorgeebenen. Wie gut, dass sie bald den ersten Planeten des Systems besuchen würden. Das würde auch etwas Abwechslung in die Mission bringen. Von Klasse-M konnte allerdings nicht die Rede sein. Die Mannschaft machte den Trabant-Transporter für morgen startklar. Die Motivation, das Vertrauen und die Sicherheit wuchsen von Tag zu Tag. Zudem wurde alles dokumentiert, das ging ihnen schon fast ein wenig auf den Senkel, der Octopus hatte sich allerdings mit dem Ameisenbär auf diese Vorgehensweise geeinigt und folgllich vertraten sie ihre Position nachvollziehbarerweise im Plenum. Sie waren Pioniere, das sahen alle so. Logmodus-off.