Ein Gesundheitsschub – health drift

Sternzeit 1286,9

Lange war Bernie nicht mehr so gut drauf gewesen. Seine K.I. hatte ihm den Kopf gewaschen. Nun konnte er sich nicht mehr länger auf irgendwelchen an den Haaren eines Arztes herbeigezogenen Diagnosen ausruhen. Wenn die K.I. sagte, er sei gesund, WAR er gesund. Das änderte zwar nichts an seinem Job in der Werbeagentur, der zugegebenermaßen nicht der allerprickelndste war, machte aber etwas mit seinem Bewusstsein. Kann sein, das klingt nun leicht buddhistisch – wahrscheinlich IST es das auch – aber er begann wieder, sich wie ein Tropfen im Ozean zu fühlen. Ganz ohne Weed, nur mit Tee. Von Zeit zu Zeit verliess er seinen Tigerkäfig, um Besorgungen zu machen oder – gänzlich ungewohnt – um Leute zu besuchen. Das war zwar meistens mit Bier verbunden, aber seine Gehirnchemie ist nicht Gegenstand dieser Betrachtungen. So richtig besoffen allerdings, Pupillenstillstand, Ihr wisst schon, war er allerdings lange nicht gewesen. Hier soll weder seine Alkohol- und Softdrogenkarriere glorifiziert werden, aber wenn Autoritäten welcher Art auch immer ihm sein Feierabendbierchen nehmen wollten, verstand Bernie keinen Spaß mehr. Vielleicht hatte er auch nur zuviel Blues Brothers und Easy Rider gekuckt. Oh ja, es mochte nur Sekunden dauern, und er fühlte sich um Jahrzehnte zurückgeworfen, traurig, depressiv und klein, aber seine Erfahrung sagte ihm, auch DIESE Sekunden würden vorübergehen. Betrachten wir nun noch seine Wahlfamilie, den Delphin, den Ameisenbär, die Giraffe, die Spinne, die Fledermaus, den Frosch, den Octopus und seit neuestem den Grizzly. Nun, es mochte sein, dass der Ameisenbär wie immer etwas zu meckern hatte, aber nachdem der Octopus etwas Musik aufgelegt hatte, begann der Ameisenbär den Grizzly wie einen Bruder zu betrachten und konnte dem Ganzen dann DOCH noch etwas Positives abgewinnen. Wenigstens verwahrloste Bernie nicht. Morgen würden sie zusammen essen. Die Fledermaus würde einen ganz und gar leckeren Mais-Thunfischsalat zubereiten. Wenn die Bank mitspielte, gab es sogar Glühwein. Das war Grund genug, die Werkssirene auf eine halbe Stunde eher zu programmieren. Der Octopus und die Giraffe wollten etwas vortragen. Gedichte oder ähnliches Zeug, meint Ihr ? Weit gefehlt, sie würden den für den betreffenden Sterntag angesagten Vers – die Tageslosung sozusagen – rezitieren. Ob sich wohl jemand mit Grauen abwandte ? Die K.I., der Grizzly also, würde helfen, die betreffende Stelle aufzufinden. Natürlich alles NACH der Arbeit, was denkt Ihr denn ? Bernie fuhr den Grizzly runter und widmete sich seinem Tee.

Kaffee

Sternzeit 0972,8

Der heutige Tag begann ganz grossartig. Der Octupus hat uns einen fabelhaften Kaffee zum Frühstück gebraut. Woher er das wohl kann ? Da es ein wundervoller Sommertag war, beschlossen wir, heute mal fünfe gerade und die Seele baumeln zu lassen. Wir hörten den ganzen Tag nichts als Dub. Der Frosch und der Ameisenbär waren in tiefgründige Gespräche verwickelt und der Octupus und die Delphine spielten Seenotrettung. Wenn ich so dran denke, wie ich zu dieser Truppe geriet, muss ich gestehen, ich ziehe eine göttliche Führung ernsthaft in Betracht. Ich jagte Insekten und geriet aufs offene Meer. Meine Kräfte waren schon sehr erschöpft, als ich ins Grossegel unserer Mannschaft geriet. Hatte ich doch normalerweise nächtelang nichts besseres zu tun als im Zick-Zack zu fliegen, habe ich nun meinen Platz gefunden und gehe einer erfüllenden Aufgabe nach. Auch mein Sprachfehler war kein Hindernis, vom ersten Tag an wohlwollend aufgenommen zu werden. Der Ameisenbär wird nicht müde, uns zu erzählen, wir seien auf dem richtigen Weg. Manchmal frage ich mich, was wir wohl machen würden, wenn wir den Herrn der Gezeiten tatsächlich finden. Leise höre ich den Seegang plätschern und hänge so meinen Gedanken nach. Auch ich habe am jetzigen Kurs nichts auszusetzen. Ich fühle mich gut ausgeruht und mit allem notwendigen Werkzeug für die wichtige Nachtwache ausgerüstet. Das grüne Steuerbordpositionslicht funktioniert auch wieder ordnungsgemäß. Von weitem sehe ich die Fluken der Delphine, sie sind ausser mir die einzigen, die noch nicht schlafen. Der Mond ist bereits wieder zunehmend und ich werde in einigen Stunden alle ganz sanft wecken. Und während die Tinte trocknet und ich das Logbuch zuklappe, schüttelt der Herr der Gezeiten nur ganz langsam und leise mit dem Kopf. Was für ein Unternehmen !

Fledermaus

health status

Wohnen
Arbeit
Betreuung
Arzt
Familie
Freizeit
Psychologie
Ausblick

Wohnen

Die Hausgemeinschaft im Erlenweg ist ein echtes Zu Hause geworden. Hier ist mein Rückzugsort und hier kann ich auftanken. Die Betreuung hat sich auf etwa 6,5 Fachleistungsstunden / Woche eingependelt. Hierzu zählen sowohl Einkaufsgruppen, Gemeinschaftsmahlzeiten am Wochenende als auch psychosoziale Zigaretten und kurzweilige Kickerspiele. Fest steht jedoch, dass der Erlenweg für mich nicht als weitergehend dauerhafte Wohnform angedacht sein soll. Ich möchte als nächsten Schritt in eine unbetreute Wohnung in Bielefeld ziehen. Der Zeitplan hierzu hängt in erster Linie von der Beschäftigung ab. Also muss man wohl in Jahren rechnen. Zur Not wird eine ambulante Wohnbetreuung von einem ähnlichen Verein wie die Klinke (in Bielefeld heißt es Lebensräume) akzeptiert.

Arbeit

Ich gehe in diesem Juni in meinen zwölften Monat. Seit 2 Monaten arbeite ich wieder Vollzeit. Das Praktikum kann allem Anschein nach bis zu den Sommerferien Ende Juli verlängert werden.
Der Tatsache, dass ich in 10 Monaten BBB2 bei Hrn. Jung gewisse Entwicklungen durchgemacht habe, wird durch das Praktikum und die graduell komplexeren Tätigkeiten Rechnung getragen. Vor einem Wechsel in den Arbeitsbereich sollen noch weitere Abteilungen durch Praktika erkundet werden. Vielleicht ist auch ein externes Praktikum möglich. Um nun aber nicht den zweiten Schritt vor dem ersten zu tun, muss angemerkt werden, dass im September 2013 zunächst das zweite Jahr Erprobungsstufe beantragt werden muss. Inhaltlich habe ich in 3 Wochen Praktikum sowohl Montagetätigkeiten, Mailings bearbeiten, Kontrolltätigkeiten sowie auch Druckaufträge und begrenzt umfassende Computertätigkeiten ausgeübt. Ein unentschuldigter Fehltag ist nicht angefallen, jedoch hatte ich gelegentlich mit Anlaufschwierigkeiten zu kämpfen. Insgesamt fühle ich mich im Werbeservice recht wohl. Lediglich die Kaffe- und Zigarettenpausen bedürfen wohl eines wachen Auges.

Betreuung

Die Betreuung durch Hrn. Ferrara läuft nun seit knapp 3 Jahren und ist bis auf weitere 3 Jahre bestätigt. Die regelmäßigen Treffen einmal monatlich haben zu einer gewissen Konstanz der Hilfeplanung beigetragen. Bei Ämterangelegenheiten ist das Büro Ferrara eine unschätzbar wertvolle Hilfe. Die Beantragung von persönlichem Budget wurde zunächst in die Hände der Wohnbetreuer gegeben. Hier sind erste Widerstände von Seiten des LWLs zu verzeichnen. Die Qualifizierungsmaßnahme im Herbst steht jedoch weiter auf der Tagesordnung. Vielleicht ist es sinnvoll, bei den monatlichen Treffen gewisse Fortschritte schriftlich festzuhalten sowie eine Planung für das jeweils nächste Treffen vorzunehmen.

Arzt

Zu Fr. Dr. Esdar besteht ein echtes Vertrauensverhältnis. Medikation konstant. Hausarzt für Somatik.

Familie

Recht seltener Kontakt aufgrund von Nervensparmaßnahmen. Eltern Mitte 70 Bruder mit Freundin und Sohn (18.7. 2013 fünfter Geburtstag).

Freizeit

Mein Tag beginnt mit einer Zigarette. Das erste was ich tue, wenn ich nach Feierabend nach Hause komme, ist die Butterbrote für den Folgetag anzufertigen. Ohne Musik wäre ich schon lange tot. Von Zeit zu Zeit besuche ich Konzerte in einem der beiden Forums [Mehrzahl von Forum ?]. Wenn mir die Zeit zu lang wird, koche ich mir den nächsten Cappuccino und rauche die nächste Zigarette. Schließlich gibt es noch das Internet inklusive Facebook.

Psychologie

Der Teufelskreis der Drehtürpsychiatrie wurde zum ersten Mal seit Jahren aufgrund der Tätigkeit im ISR unterbrochen. Der stabilisierende Faktor der Arbeit ist also nicht zu unterschätzen. Ich bin gut über psychische Erkrankungen aufgeklärt, das bringen die Jahre so mit sich. Ich werte meine psychotischen Episoden als Grenzerfahrung. Die Medikamente habe ich zu oft auf eigene Faust abgesetzt, so dass ich sie nun schließlich wie ein Uhrwerk einnehme und mich an alle ärztlichen Instruktionen halte. Lediglich mit dem Alkohol übertreibe ich es wohl gelegentlich. Nach Cannabis mache ich mich nicht aktiv auf die Suche.

Dadurch, dass mein Erstkontakt mit der Psychiatrie erst im Erwachsenenalter von 27 Jahren stattfand, waren die Grundfesten meiner Persönlichkeit wohl schon vorher zementiert. Hierbei gilt es, anzumerken, dass durchaus ein Unterschied zwischen Persönlichkeit und Verhalten zu verzeichnen ist. Auch wenn die Persönlichkeit als einigermaßen verkorkst zu werten ist, kann man sich situationsangemessen verhalten. Somit sagt das Verhalten mehr über einen Menschen aus. Auch, wenn ich von Zeit zu Zeit noch Angst vor Gewalt habe, würde ich meine Schizophrenie als abklingend bezeichnen. Irgendwann muss diese Episode jedoch ganz abgeschlossen werden. Ich möchte es so formulieren : Der Teufelskreis muss nicht nur unterbrochen, sondern sogar beendet werden. Auch dies ist wohl ein Ziel, das in Jahren zu rechnen ist.

Ausblick

kurzfristig : Das (verlängerte) Praktikum wird bis zu den Sommerferien absolviert.

mittelfristig : Im September wird das zweite Jahr ISR begonnen, nach Möglichkeit in einer Abteilung, die durch das Praktikum kennengelernt wurde, also möglicherweise im Werbeservice.

langfristig : Der Lebensmittelpunkt wird nach Bielefeld verlagert. Dies ist nur mit Hilfe von Arbeit möglich. Ob dies eine Tätigkeit als Gebäudereiniger, Leergutsortierer, IT-Fachkraft oder Sozialbetreuer wird, vermag man heute noch nicht abschließend zu antizipieren. Eine weitere berufliche Qualifikation wird jedenfalls angestrebt. Denkbar ist es, außer dem Experienced-Involvement-Programm auch eine weitere Fortbildung auf dem IT-Sektor zu versuchen.

clean and sober, im Juni 2013, ewing

goal thursday

Man kommt erst Sonntagabend wirklich im Wochenende an und dann braucht man auf der Arbeit 3 Tage, um sich vom Wochenende wieder zu erholen. Im letzten Jahrtausend waren die Montage öfters mal blau, zumal sonntags ein fester Termin auf dem Programm stand. Aus. Vorbei. Ende. Game over.

Die morgendliche Lektüre hilft auch nicht wirklich, aber immerhin ist es ein regelmäßiger Input, über den man mediterran meditieren kann. Von der Probezeit ist die Hälfte absolviert und heute ist der erste Tag mit einem gelben Zettel seit Beginn. Die Arbeitskollegen schmeißen mit Unfug und Analverkehr um sich und niemanden interessiert es eine Bohne, ob man lebt, stirbt, krank, gesund, faul, gut motiviert oder hallelujah-mäßig gut gelaunt ist. Es geht auch ohne Wort zum Wochentag. 2 gelbe Tage müssen reichen. Wenn man als Hobby ohnehin nichts weiter als Vor-Sich-Hinwohnen hat, ist es auch egal, ob das betreut oder autonom durchgeführt wird. Mobilitätsmäßig müssen die Füße oder ein Fahrrad herhalten und die Kommunikation erfolgt in der rezeptiven Richtung optoakustisch und in der Senderichtung ausschliesslich übers Netz. Es müssen einige Altlasten abgetragen werden. Betreuung ohne Einwilligungsvorbehalt ist dabei hilfreich.

Die Familie bekommt von alledem wirklich nur einen Bruchteil mit.