Vateraugen

Sternzeit 0982,5

Mit liebenden Vateraugen beobachtete der Herr der Gezeiten aus seinem Schaukelstuhl unsere Truppe und fand sie ganz und gar rührend. Im Radio lief ein Sender aus Neuseeland. Immerhin, sie hatten sich auf den Weg gemacht und sie fragten sogar nach seinem Willen. Ob er es ihnen wohl erklären konnte, falls es zu einer erneuten Begegnung kommen würde ? Der Ameisenbär würde gewiss helfen. Der Herr der Gezeiten lächelte und drehte das Radio etwas lauter. Er mochte Minderheiten. Um seine Mannschaft zu retten, würde er sich etwas einfallen lassen müssen. Er wusste im Gegensatz zu ihnen, woher die Gefahr kam. Wie der Planet sich seit seinem letzten Besuch verändert hatte…. Der Sohn war im Garten und kümmerte sich um die Sonnenblumen. Er rief ihn zu sich, um ihn nach seiner Meinung zu fragen. ‘Sie haben sich sehr verändert’, sagte er. ‘Sie fragen nicht mehr nach uns. Normalerweise…’. ‘Es gibt Grund zur Hoffnung’ antwortete der Sohn. ‘Nicht dass ich runtergehen wollte und wieder auf dem Wasser laufen, aber sie geben sich doch wirklich Mühe.’. Der Herr der Gezeiten drehte am Sender. Er konnte keine Nachrichten leiden und suchte Musik. Der Sohn summte ein wenig. ‘Wir geben ihnen Zeit’ sagte der Herr schliesslich. Zustimmend nickte der Sohn und ging wieder in den Garten. Es frischte auf. Die Mannschaft hatte sogar eine Flagge mit der Bootskennung und die Positionslichter hatten alle inzwischen verinnerlicht. Zunehmender Mond. Windstärke 6.

Einer von uns

Sternzeit 0948,7

Heute haben wir viel gelernt. Der Ameisenbär hat uns mehr von seinem Herrn erzählt. Er sagte sogar, dass er einer von uns geworden ist. ‘W-w-wie b-b-bitte ?’, fragte die Fledermaus. ‘Wir waren verloren, alle.’, sagte der Bär. ‘Da hat der Herr seinen Sohn geschickt, auf dass er ein Tier wird, wie wir alle.’. Dem Delphin wurde das schon wieder zuviel. Er schwomm wieder außerhalb seines Viertelmeilenradius. Auch die Spinne schien allergisch gegen dieses Seemannsgarn zu sein. Da hatte der Ameisenbär ein Einsehen. ‘Lasst uns angeln.’. Wir warfen unsere Angeln auf der Lee-Seite aus. Geduld, Geduld und abermals Geduld war nun die Lektion, die wir lernen mussten. Zum Glück schien die Sonne und wir hatten noch genügend grüne Flaschen an Bord. Außer dem Frosch fing jedoch niemand etwas. Der Ameisenbär zerlegte den Fisch fachmännisch und die Giraffe briet in uns in unserer Solarpfanne. Heute war der Ameisenbär zwar etwas mürrisch, trotzdem vergaß er nicht, vor der Mahlzeit mit knappen Worten zu danken. Wir wunderten uns, was für ein Tier der Herr der Gezeiten wohl geworden war. Und welcher Sohn war gemeint ? Nach der nächsten Wende echote die Fledermaus den Delphin an, er möge sich doch auch etwas von dem Fisch abholen. Dankbar kam er an, sprang aus dem Wasser und vertilgte sein Teil von dem Abendbrotfisch. Er war in letzter Zeit gar nicht mehr so oft traurig. Das musste damit zusammenhängen, dass er eine tierische Disziplin an den Tag legte und auf seinem Vorhutposten immer öfter sang, auch wenn es niemand hörte. Außerdem hatten wir es uns zur Gewohnheit gemacht, dass die Nachtwache auch den Mond genau beobachtete und das Logbuch mit kleinen Assoziationen dazu führte.

‘Abnehmender Mond, keine Schmerzen’, schrieb die Giraffe und klappte das Logbuch zu. Wir waren froh, dass nachts immer einer Wache hielt. Niemand schien überfordert und wir wechselten uns regelmäßig ab.

Zwischenstop

Sternzeit 0943,9

Heute haben wir einen ersten Zwischenstop eingelegt. Gegen 3 Glasen meldete die Giraffe ‘Land in Sicht’. Es handelte sich – wie sich bald herausstellte – um eine Insel. Ob wir an ihrer Küste wohl den Herrn der Gezeiten finden würden ? Der Ameisenbär kommandierte das Anlegemanöver. Nachdem wir unser Floß gesichert hatten, gingen wir von Bord und dann ans Ufer, der Reihe nach, zuerst Giraffe, dann Frosch, der Delphin blieb in Ufernähe, um das Floß zu bewachen und schliesslich Spinne, Fledermaus und als letztes Ameisenbär. Eingeborene sahen wir nicht, aber wir fanden Spuren eines Lagerfeuers am Strand. Wir teilten uns auf und machten uns in Zweiergruppen auf die Suche. Gegen Sonnenuntergang wollten wir uns wiedertreffen. Also, nachdem wir uns auf der Insel umgesehen hatten, berichteten wir uns gegenseitig von unseren Entdeckungen. Spinne und Fledermaus hatten ein unbewohntes Dorf entdeckt. Sie riefen und suchten, hatten aber Niemanden antreffen können. Frosch und Ameisenbär waren am weitesten ins Landesinnere vorgedrungen. Sie hatten sogar einige essbare Früchte mitgebracht, aber ebenfalls ausser einigen Affen nichts entdeckt. Die Giraffe kam als Letztes wieder zurück. Sie war einem Flusslauf gefolgt. Der führte sie bis zur Quelle. Als sie sich mit dem Wasser aus der Quelle erfrischt hatte, war auch sie den Rückweg angetreten. Zum Abendbrot auf dem Floß verspeisten wir die leckeren Früchte. Wir begannen, uns ernsthafte Fragen zu stellen, ob wir auf der richtigen Mission waren. ‘Ameisenbär, meinst Du, der Herr der Gezeiten ist hier irgendwo ?’, fragte die Spinne. Der Ameisenbär schlürfte den Rest aus seiner Frucht und sagte : ‘MMMhmm. Gut möglich, wie ich ihn kenne. Aber wir müssen weiter.’. Das verstand, wer will. War der Herr der Gezeiten etwa mitten unter uns, und wir bemerkten es nicht ? Wir sangen ein Danklied und bargen den Anker. Fledermaus und Delphin unterhielten sich noch über den richtigen Kurs, doch der Ameisenbär war sich sicher, dass wir wieder auf 30° wechseln mussten. Diesmal segelten wir die ganze Nacht durch und blieben alle wach. Wir hatten Lunte gerochen. Aufgeregt unterhielten wir uns über den Kurs, das Danken, den Seemannstod und nahmen uns für den nächsten Tag vor, einmal zu angeln. Langsam nahm der Mond wieder ab.