gegenwInd

Sternzeit unbekannt

was, wenn man sich nicht für Fussball interessiert ?
wie können wir dem Medienhype entfliehen ?
Bernie ging in seinen Tigerkäfig zurück und pflegte seine schlechte Laune.
Er hatte den Grizzly mit allen verfügbaren Wetterdaten gefüttert und wartete auf die omnipotente Antwort. Diagnosen interessierten ihn schon lange nicht mehr. Er wollte nun wissen, wie er seinen Alltag meistern würde. Wie sich gegen die braune Brut wehren ? was gegen Ignoranz und Inkompetenz unternehmen ? Berlin, Manhatten, Amsterdam.

Arbeit wartet. Mindestlohn außer Kraft gesetzt.

Flash.

Maurie drehte sich ein letztes Mal um, bevor er das Flugzeug bestieg. Landen würde er gestern. Im Jetzt sah er Probleme und keine Lösungen. Egal war nicht das richtige Wort. Unbeachtet startete die Dark Shadow zu ihrem nächsten Aufklärungsflug. Morgen mehr. Beim Landeanflug drehten die Windmühlenflügel linksrum.

LSD ins Trinkwasser und Hanfsamen aus Hubschraubern

Sternzeit 1468,9

Der Octopus gewöhnte sich langsam daran, im Bus, im Supermarkt und auf der Straße beschimpft zu werden. Unser Verein saß im Bus auf dem Weg in die Normandie. Wir passierten gerade Straßburg.

Flash

Ameisenbär, Octopus, Frosch, Grizzly, Captain, Maulwurfine, Fledermaus, Giraffe, Schildkröte, Spinne, Fridge, Forscher, Delphin, Bernie, Mücke, Günther, Pansy, Maurie, John und Jane sangen laut.

Flash

Die Windmühle stand einsam und verlassen am Rande Engers. Zwei Geocacher hatten soeben das Filmdöschen gefunden. Morgen würde hier eine Hochzeit stattfinden. Selbst Schuld.

Flash

Wir waren gerade an einer Autobahnraststätte. Wohin es ging, war allen klar. Eine Tai Chi Übung später saßen wir alle wieder auf unseren Plätzen, der Bär ruhte sich aus und der Forscher übernahm die Fahrt. Für alle, die wollten, gab es Bier. Bernie und der Octopus spielten Backgammon. Es war nicht einzusehen, warum wir es nicht versuchen sollten. Morgen würde die Überfahrt beginnen.

Schmunzelfieber

Sternzeit 1465,1

Nach dem nächsten Flash waren unsere drei Piloten wieder vereint. Die Windmühle hatte sich als Fluggerät bewährt. Im Alltag galt es zu navigieren und das Ziel der Mission nicht aus den Augen zu verlieren. Also starteten sie heute in Richtung Niederlande. Nicht wegen dem Gras, oh nein. Ruckelnd erhob sich die Dark Shadow. Sie ließen die westfälische Landschaft hinter sich und kümmerten sich einen Moment um Fridge. Jane gab ihm seinen Markknochen. John und Jane verstanden Maurie nicht immer, seine Marotten waren doch von Zeit zu Zeit schwer zu verstehen. Doch sie standen hinter ihm, wenn er sagte Kurs Nordwest, flogen sie nach Nordwest. Sie waren etwa in Höhe 300 Fuss und über Enschede, als eine Meldung eintraf. Sie handelte von Fussball. Da würden sie sich eine Auszeit nehmen und in Amsterdam am Public Viewing teilnehmen.

Flash.

In der Heimat schmunzelten bereits alle. Niemand hatte es fertiggebracht, Maurie zu desillusionieren. Also ließen sie ihn gewähren. Er würde es früh genug mitbekommen, da waren alle sicher.

Flash.

Amsterdam, La Tertulia. Sie tranken Milchshakes. Bald würde Anstoß sein.

Kerker

Sternzeit 1463,4

Flash.
Maurie im Kerker.
Unter den Mitgefangenen begann sich langsam aber sicher gute Laune zu verbreiten. Alle hatten etwas auf dem Kerbholz. Die Humorpolizei ist eine überaus wichtige Einrichtung einer Demokratie. Maurie und sein Team hatten lange nicht kommuniziert. Nicht jeder hatte eine Herde tierischer Kumpels. John und Jane saßen in der Windmühle in Enger fest. ‘Kollege, was hast Du verbrochen ?’ fragte Maurie einen seiner Zellengenossen. ‘Ich habe während einer Jura-Vorlesung gelacht.’ antwortete der. Maurie gab Anekdoten seiner erlebten Reisen zum Besten. Sie spielten Skat. Sie rauchten. Sie tranken Tee. Sie beamten einen von ihnen raus, nach Hause. Ein Wärter kam und öffnete die Zellentüren. ‘Leute, Ihr seid zum Abendessen beim Chef eingeladen.’ Manche wollten sich nicht korrumpieren lassen. Die meisten allerdings gingen hin. ‘Warum werden wir hier festgehalten ?’ fragte Maurie. Der Grizzly konnte ihm in dieser Angelegenheit nicht remote helfen. ‘Political Correctness’. ‘Eine Bande Verbrecher.’ ‘Ganz arme Schweine.’ ‘Geldgierige Demagogen’. ‘Auch ein paar Idealisten.’

Flash.
Enger.
John und Jane beim Backgammon. ‘Haben wir seine Koordinaten ?’ ‘Latürnich’. ‘Seine Liste ist lang.’ ‘Ohne Zweifel’. ‘Ist er sich seiner Schuld bewusst ?’ ‘In keinem Falle.’ Jane bot eine Verdoppelung an. John nahm an. ‘Können wir ihn rausholen ?’ ‘…wir könnten…vielleicht…kommt auf einen Versuch an…besser, wir lassen ihn die Erfahrung machen…der nächste Flash kommt…

Alle Türen waren wieder abgeschlossen.

Bots

Sternzeit 1460,5

Vielmehr handelte es sich bei den Fremdenlegionären um eine Freiwilligenarmee. Nicht zu vergleichen mit Borg oder Bots. Wer sein Leben hinter sich lassen wollte, schloss sich ihnen an. Maurie hatte einige wenige bereits kennenlernen dürfen. Er war beeindruckt von der Schärfe ihrer Beobachtungsgabe und ihres Engagements. Nun saß Maurie am Strand, aß ein Eis und überlegte seine nächsten Schritte. Die Festung war weithin sichtbar. Ein anderes Leben. Maurie geriet in Versuchung, sein Forscherleben an den Nagel zu hängen und sich ihnen anzuschließen. Weil er Johann und Jane einige Tage nicht gesehen hatte, ging er schließlich in ein Internetcafe. Zu Live-Messengern hatte er keinen Zugang, weil er keinen entsprechenden Account hatte, aber Kontakt über Email würde komplett ausreichen. Er setzte eine Nachricht ab. Das christliche Ferienlager veranstaltete ab und an Ausflüge nach Monaco. Nun drehte Maurie sich eine Zigarette und rauchte sie. Dann ging er schwimmen. Den meisten seiner Mitmenschen begegnete Maurie mit Hass oder Verachtung. Für das andere Geschlecht interessierte er sich schon lange nicht mehr. Was soll ich Euch sagen, ein Flash setzte ein und Maurie wurde in die Parallelmühle in der Heimat gebeamt.

Es klingelte. Maurie schickte die Stromzecke zum Teufel. Er begann, in militärischen Strukturen zu denken. Die Mühle war gut befestigt, das war ein Anfang. Zu dumm, dass er meistens sowieso allein war. Wenn er John und Jane überzeugen konnte, mitzukommen…

Bald, nur allzubald, würde er mehr erfahren.

Startversuch

Sternzeit 1456,9

Maurie beriet sich lange mit Johann und Jane, bevor er einen ersten Startversuch unternahm. Das Deck hatte mannigfaltige Kommunikations- und Transportmöglichkeiten. Johann warnte Maurie, Jane ermutigte ihn. Nachdem die Konferenz zu Ende war, startete Maurie die Engines (verzeihen Sie die Anglizismen). Die Windmühle schien sich nicht zu rühren. Obwohl sie nach wie vor in dem kleinen Städtchen stand und für alle Bewohner weithin sichtbar war, kam es Maurie vor, als startete er in den Orbit. Konnte es möglich sein, dass die Mühle an zwei Orten gleichzeitig war ? John und Jane amüsierten sich mittlerweile auf einer Party, als die Windmühle begann, ihre Flügel drehen zu lassen. Jane war gerade vor der Tür, eine Zigarette rauchen, als sie sah, dass Maurie offensichtlich Erfolg gehabt hatte. Das berichtete sie John umgehend. Sie freuten sich beide und wähnten Maurie auf dem Deck und in Sicherheit. Maurie besah sich die Stadt mittlerweile von oben. Er hatte etwas feste Nahrung zu sich genommen, den Autopiloten abgeschaltet und die Navigation selbst übernommen. Er flog Kurs Süd-Ost. Die Party ging ohne Zwischenfälle und mit neunzig Prozent alkoholisierten Kandidaten zu Ende und John und Jane traten den Nach-Hause-Weg an. Die Mühle stand einfach nur da. Am nächsten Morgen würden sie Maurie besuchen gehen. Der war schon über dem Mittelmeer, als er innehielt und auf ‘Position halten’ schaltete. Die Sonne war lange nicht mehr zu sehen und er riskierte einen Blick auf die Sternkarten, um sich die weitere Vorgehensweise geistig vor Augen zu führen, bevor er einen weiteren Kurs setzen würde. Er setzte sich in den Sessel. Dann erfolgte der Flash. Das Deck blinkte, die Sonne war urplötzlich im Osten zu sehen und John und Jane betrieten den kleinen Vorraum. Sie stellten die Leiter auf und kletterten auf das Deck, auf dem sie Maurie schlafend in seinem Sessel vorfanden. Es schien, als hätte die Mühle sich nicht vom Fleck gerührt. Die Flügel drehten sich allerdings nach wie vor. ‘Es hat wohl nicht geklappt.’ flüsterte John Jane ins Ohr, sie wollten Maurie nicht wecken. Der kratzte sich langsam an der Nase und wachte langsam auf. Er wunderte sich doch sehr über seinen Besuch. Wo war das Mittelmeer ? Er schaute aus dem Weitsichtbullauge und stellte seine Position fest. Was war denn das ? Als sie sich gegenseitig auf den neuesten Stand gebracht hatten, verließen die zwei Maurie wieder. Er öffnete den Kühlschrank, nahm sich einen Apfelsaft und konsultierte die Logfiles. Er war über dem Mittelmeer gewesen, ohne Zweifel. Das schien eine seltsame Windmühle zu sein.

self esteem

startime 1455,7

Mauritius Niederhol kam nach Hause und schaltete Musik an. Er war auf einer Experimentalversammlung gewesen, in der es um Respekt und Achtsamkeit ging. In der Realität lief es meistens anders, er hatte seine Stimmen, die ihn fertigmachten noch nicht zu Ende domestiziert. Gut zwanzig Leute hatten sich getroffen, um einen Unterschied zu machen zu den Negativisten. Das war zwar lobenswert, die Selbsterforschung war allerdings ein Experiment, dessen Ausgang völlig unklar war. Gewiss, sie hatten genug zu essen und zu trinken, aber manche von ihnen hatten weder Geld noch Job. Deshalb versuchten sie immer wieder, sich gegenseitig Mut zuzusprechen. Gelacht wurde auch ab und zu, gewiss. Manche hatten Filter im Kopf. So wie der Kopf meistens überschätzt wurde. Kopf, Bauch und Herz reden mit lauter Stimme am Wesentlichen vorbei. Es handelte sich um eine seminarartige Fortbildung, die als Pilotprojekt und Experiment angesehen werden musste. Musste, was red’ ich. Die meisten kamen gern. Im Laufe der Zeit waren es schon ein paar weniger geworden. Nachdem er die Nachbereitung abgeschlossen hatte, drehte er einen Zacken lauter. Auf die Band aus Trondheim, Norwegen freute er sich schon. Bekannte Gesichter wiedersehen. Maurie machte seinen Job so gut er es eben hinbekam. Die Windmühlenreise hatte seinen Horizont tatsächlich erweitert. Maurie, hörst Du mich ? Beginne deine nächste Reise. Auf welchen Stern möchtest du jetzt ? Lass dir sagen, ich warte zu Hause auf dich, egal wie weit du gefahren sein wirst. Du wirst es finden.

Mauritius Niederhol nimmt Ergonyl

Nachdem die heftigsten Gewitterattacken auf dem verschlammten Waldweg abgeklungen waren; es war dunkel, kalt und ungemütlich; erblickte Maurie vier riesige Windmühlenflügel, die sich zu seinem Erstaunen, unmerklich langsam zwar, aber dennoch drehten. Als er sich dem Gebäude aus dem vor- oder drittletzten Jahrhundert näherte, schauderte es ihn ob des Geruchs von Essensresten, Fahrzeugteilen, vermoderten Pilzen und verschiedenen Teesorten. Unerschrocken pirschte er sich an den kleinen Eingang heran. Aus dem Augenwinkel erblickte er eine kleine Filmdose, die er jedoch wohlweislich unangetastet liegenließ. Den Durchmesser eines Flügels maß er grob auf über fünfzehn Meter. Ungehindert stieß er die Tür auf und trat ein. Noch mehr Dunkel umgab ihn, aber wenigstens war es trocken. Mehr als alles andere dürstete es ihn nach einem frisch aufgegossenen Tee. Er tastete sich vorwärts, schließlich fiel ihm wieder ein, dass er ja mal Raucher gewesen war, folglich fand er in seiner rechten Hosentasche ein Feuerzeug mit benutzbarer LED. Zunächst die LED nur einmal kurz aufblitzen lassend und von weiß zuckenden Blitzen von draußen unterstützt sah er viele Säcke unbekannten Inhalts an der dem Eingang abgewandten Seite aufgestapelt. Nachdem er ihren Inhalt als eßbar identifiziert hatte, begann er, den Rest der alten Mühle zu untersuchen, um der rätselhaften Funktionstüchtigkeit und eventuellen weiteren Bedienungsmöglichkeiten auf die Spur zu kommen.

Nach einigen geistigen Notizen versetzte ich mich zurück ins hier und jetzt, dokumentierte ein ‘klack-ratsch’ und beamte mich für kurze Zeit raus.

‘Klack-ratsch’ machte es auch, als Maurie die nicht mehr vollständig besprosste Leiter zu dem Bedienungsdeck des Mühlfahrzeuges erklommen hatte und die Leiter unter seinen Füßen ins unerreichbare Erdgeschoß zurückfiel. Das Deck erwachte flackernd zum Leben. Nach einigen Stunden Erkundungs- und Testbedienungen mit Hilfe eines rot-weißen Rescue-and-check-modusses hatte Maurie die Sauerstoffzufuhr, den Mahltrieb, den Windgeschwindigkeitsmesser, die Eisboxen für die Fracht und die Kommunikationsanlage probehalber bedient und intuitiv rudimentär verstanden. Obwohl er zwar punktuell gern allein war, entschloss er sich doch, bis zur Rekrutierung oder Zusammenfindung mit ein oder zwei Gefährten oder Gefährtinnen beim Rescue-and-check-modus zu bleiben. Er vermisste seinen Hund Fridge. Im Deckkühlschrank samt umfunktionierter Icebox befand sich genug Nahrung von Pizza über Kuchen bis zu Bier, Kaffee und Tee, sodass er die Kommunikationsreichweite als Rufweite getrost verkraften konnte und endlich einen Tee trank, bevor er versuchte, Johann und Jane zu erreichen, notfalls per guter alter Post, Trommeln, Rauchzeichen oder Flaggensprache, da beide sich zu diesem Zeitpunkt in Blick- und Rufweite befinden mussten und auch noch würden, wenn der Tee vorüber war.
Blieb die Frage, ob die beiden erstens aufnahmefähig und zweitens willens und in der Lage waren, einen Startversuch zu unternehmen. Er konnte nicht mehr allein runter, ohne sich die Knochen zu brechen, aber sie könnten hochkommen und ihn, wenn schon nicht tatkräftig, so doch seelisch-moralisch unterstützen.

‘Gimme beer’, sagte Maurie.
Fridge schwieg. Genauer gesagt schwiegen alle drei Fridges. Der Hund Fridge hörte seinen Namen, hob kurz den Kopf und wandte sich dann desinteressiert ab. Alle drei Fridges waren Materialisationen oder Impersonifikationen aus demselben Paraversum. Der Kühlschrank Fridge begann einen Kühlungswärmeaustauschzyklus. Das Gesamtsystem des Windmühlencockpits hatte den Status ‘Künstliche Intelligenz’ hinter sich gelassen und konnte mit Fug und Recht als Natürliche Intelligenz bezeichnet werden. Auch es schwieg, weil das Bier zu Neige gegangen war. Ansonsten hätte es mit ‘Mehr Details, bitte’ geantwortet. Fridge brummte derweil lediglich etwas vor sich hin. Er brummte virtuell, da er keinen physischen Schädel besaß, der vom eingebildet inhalierten Alkoholkonsum brummen konnte, aber er war durch unzählige analoge Röhrenverstärker geflossen, so dass man mit Recht von brummen reden konnte. Maurie holte tief Luft, dachte an nix und fuhr den Siliziumanteil in der Glasfaserproduktion etwas nach oben.
Wir Informatiker hatten es geschafft, die Welt perfekt von der Maschine abhängig zu machen, die Programmiersprachen und Datenbanken, die Algorithmen und Datenstrukturen verschwammen zu Appointments, Googlemania, SMS-Schleudern mit Sexwerbung, wir vergaßen, was uns als Menschen eigentlich ausgemacht hatte, nämlich das zutiefst analoge Element des Vergessens, der Fehlhaftigkeit und des Versagens.

Das Vergessen könnte allerdings ebensogut auf über- und regelmäßigen Cannabisgenuss zurückgeführt werden, während die Fehlhaftigkeit jedwedem Leben sowie Bauteilen und Algorithmenfolgen potentiell immanent ist und das Versagen ist eine Übung, die auf alle, jeden und jede von uns wartet, Programm, Pflanze, Struktogramm, Tier, Atomkraftwerksummantelung, Verhütungsmittel, Kaffeedosenverschluss oder Mensch.

to be continued