2105 (some trial)

Maurie und die Maulwurfine spazierten direkt in den Vorratsraum. Hier gab es genug Müsli und Tee. Nachdem sie sich gestärkt hatten und auch einen grünen Tee getrunken hatten, nahmen sie Verbindung zum Delphin in der Dark Shadow auf. Er würde Lösungen haben. Gut instruiert vom Grizzly gab der Delphin ihnen einige Tips. Die Versuchsanordnung war gut überlegt. Der Forscher würde protokollieren. Fünf Kerzen standen in Untertassen auf dem Holzfussboden. Ein symbolisierter Galgen stand in ihrer Mitte. Ein geladenes Katapult würde den Löffel in die vermutete Richtung werfen. Sie begannen mit dem Countdown. Es blitzte. Bevor der Donner einsetzte, schloss Maurie die Augen. Er verschwamm mit der Umgebung. Die Maulwurfine holte Maurie zurück ins Hier und Jetzt. Nun könnten sie kommen.
—-
they’ re hunting and they’ re chasing me, penetrating my life. I always try to leave no traces, but they always find me. only sometimes I’ ve got my doubts, if they’ re really after me.

Schmunzelfieber

Sternzeit 1465,1

Nach dem nächsten Flash waren unsere drei Piloten wieder vereint. Die Windmühle hatte sich als Fluggerät bewährt. Im Alltag galt es zu navigieren und das Ziel der Mission nicht aus den Augen zu verlieren. Also starteten sie heute in Richtung Niederlande. Nicht wegen dem Gras, oh nein. Ruckelnd erhob sich die Dark Shadow. Sie ließen die westfälische Landschaft hinter sich und kümmerten sich einen Moment um Fridge. Jane gab ihm seinen Markknochen. John und Jane verstanden Maurie nicht immer, seine Marotten waren doch von Zeit zu Zeit schwer zu verstehen. Doch sie standen hinter ihm, wenn er sagte Kurs Nordwest, flogen sie nach Nordwest. Sie waren etwa in Höhe 300 Fuss und über Enschede, als eine Meldung eintraf. Sie handelte von Fussball. Da würden sie sich eine Auszeit nehmen und in Amsterdam am Public Viewing teilnehmen.

Flash.

In der Heimat schmunzelten bereits alle. Niemand hatte es fertiggebracht, Maurie zu desillusionieren. Also ließen sie ihn gewähren. Er würde es früh genug mitbekommen, da waren alle sicher.

Flash.

Amsterdam, La Tertulia. Sie tranken Milchshakes. Bald würde Anstoß sein.

Kerker

Sternzeit 1463,4

Flash.
Maurie im Kerker.
Unter den Mitgefangenen begann sich langsam aber sicher gute Laune zu verbreiten. Alle hatten etwas auf dem Kerbholz. Die Humorpolizei ist eine überaus wichtige Einrichtung einer Demokratie. Maurie und sein Team hatten lange nicht kommuniziert. Nicht jeder hatte eine Herde tierischer Kumpels. John und Jane saßen in der Windmühle in Enger fest. ‘Kollege, was hast Du verbrochen ?’ fragte Maurie einen seiner Zellengenossen. ‘Ich habe während einer Jura-Vorlesung gelacht.’ antwortete der. Maurie gab Anekdoten seiner erlebten Reisen zum Besten. Sie spielten Skat. Sie rauchten. Sie tranken Tee. Sie beamten einen von ihnen raus, nach Hause. Ein Wärter kam und öffnete die Zellentüren. ‘Leute, Ihr seid zum Abendessen beim Chef eingeladen.’ Manche wollten sich nicht korrumpieren lassen. Die meisten allerdings gingen hin. ‘Warum werden wir hier festgehalten ?’ fragte Maurie. Der Grizzly konnte ihm in dieser Angelegenheit nicht remote helfen. ‘Political Correctness’. ‘Eine Bande Verbrecher.’ ‘Ganz arme Schweine.’ ‘Geldgierige Demagogen’. ‘Auch ein paar Idealisten.’

Flash.
Enger.
John und Jane beim Backgammon. ‘Haben wir seine Koordinaten ?’ ‘Latürnich’. ‘Seine Liste ist lang.’ ‘Ohne Zweifel’. ‘Ist er sich seiner Schuld bewusst ?’ ‘In keinem Falle.’ Jane bot eine Verdoppelung an. John nahm an. ‘Können wir ihn rausholen ?’ ‘…wir könnten…vielleicht…kommt auf einen Versuch an…besser, wir lassen ihn die Erfahrung machen…der nächste Flash kommt…

Alle Türen waren wieder abgeschlossen.

Bikes

Sternzeit 1459,9

Eine Horde Hells Angels kam heute an der Mühle vorbei, um für unseren Maurie Solidarität zu zeigen. In den reichlich vorhandenen Pausen musste der sich nämlich mit einem gewaltigen Fäkal- und Sexismusniveau herumschlagen. In seiner Mühle konnte er dann nach Feierabend wieder richtig auftanken. John und Jane hatten sich ein paar Tage lang nicht blicken lassen. Die Rocker ließen das Zackenplankton aber heute mal eingepackt. Es war ihnen nur allzu bewusst, dass das nämlich maßgeblich an verwirrten Bewusstseinszuständen beteiligt war. Auch das Logbuch war wieder mit von der Partie, darin hatte Maurie die beiden Standorte gewissenhaft verzeichnet. Die Fremdenlegionäre waren oft in Afrika gewesen, und wollten sich erst gar nicht auf eine Unterhaltung mit jemandem einlassen, der das noch nicht war. Maurie war heute nackt schwimmen gegangen. Am Strand hatte er mit Hilfe seines Laptops seinen Bibliothekskatalog vervollständigt. Ein Keks war das richtige jetzt. Ein Schokokeks. Dann ein Kaffee. Muße. Müßiggang. Faulenzen. Langeweile. Dann wieder eine halbe Stunde arbeiten. Wir erforschten uns selbst. Zu Hause war ein unbekannter Ort geworden. Die Mühle war nun Maurie’ s neues Zu Hause. Nur die Abstände zwischen den Ortssprüngen schienen noch immer unkalkulierbar. Maurie hatte begonnen, den Legionären, den Hells Angels und seinen Arbeitskollegen vom jeweils anderen Standort der Mühle zu erzählen. Niemand wollte ihm glauben, John und Jane schienen seine einzigen Verbündeten zu sein. Selbst in der Nacht war man vor Flashbacks nicht sicher. Wieso nur schienen alle anderen mal wieder mehr über die zu erwartenden Ereignisse zu wissen als Mauritius ? Zu lange war der nun schon im Ungewissen, er dachte bald eine halbe Stunde nach, dann schaltete er die betreffenden Gehirnareale einfach ab. Zumindest versuchte er das. Im Bus war er meist auf Stand-By. Bei gutem Wetter fuhr er Fahrrad. Als Maurie die Rocker verabschiedete, freute er sich auf ein Wiedersehen mit dem Octopus, der hatte für den nächsten Sprung nach Korsika sein Kommen an die Mittelmeerküste angekündigt. Der war clean. Ein Pilsener Urquell musste jawohl noch erlaubt sein. Einen Suchtmediziner wollen wir lieber nicht befragen. Dann erfolgte ein DoppelSprung. Nun musste Maurie wieder Französisch üben. Weil die Mahlzeiten nicht gerade etwas waren, auf das Maurie sich freute, verzeicnete er seit neuestem seinen Tabak- und Flüssigkeitskonsum im Logbuch, um einen Wochen-, oder noch besser Monatsdurchschnitt zu bilden. Wie es wohl mittlerweile um den Tigerkäfig bestellt war ? Sonne. Wasser. Strand. Meer. Großartig. Seine Peergroups hatten Maurie schon seit Jahren im Stich gelassen, er drehte sich erstmal eine und ging dann in den Hafen. Dort würde er den großen Bären treffen, da war er sich nur allzu sicher. Wind.

Mauritius Niederhol nimmt Ergonyl

Nachdem die heftigsten Gewitterattacken auf dem verschlammten Waldweg abgeklungen waren; es war dunkel, kalt und ungemütlich; erblickte Maurie vier riesige Windmühlenflügel, die sich zu seinem Erstaunen, unmerklich langsam zwar, aber dennoch drehten. Als er sich dem Gebäude aus dem vor- oder drittletzten Jahrhundert näherte, schauderte es ihn ob des Geruchs von Essensresten, Fahrzeugteilen, vermoderten Pilzen und verschiedenen Teesorten. Unerschrocken pirschte er sich an den kleinen Eingang heran. Aus dem Augenwinkel erblickte er eine kleine Filmdose, die er jedoch wohlweislich unangetastet liegenließ. Den Durchmesser eines Flügels maß er grob auf über fünfzehn Meter. Ungehindert stieß er die Tür auf und trat ein. Noch mehr Dunkel umgab ihn, aber wenigstens war es trocken. Mehr als alles andere dürstete es ihn nach einem frisch aufgegossenen Tee. Er tastete sich vorwärts, schließlich fiel ihm wieder ein, dass er ja mal Raucher gewesen war, folglich fand er in seiner rechten Hosentasche ein Feuerzeug mit benutzbarer LED. Zunächst die LED nur einmal kurz aufblitzen lassend und von weiß zuckenden Blitzen von draußen unterstützt sah er viele Säcke unbekannten Inhalts an der dem Eingang abgewandten Seite aufgestapelt. Nachdem er ihren Inhalt als eßbar identifiziert hatte, begann er, den Rest der alten Mühle zu untersuchen, um der rätselhaften Funktionstüchtigkeit und eventuellen weiteren Bedienungsmöglichkeiten auf die Spur zu kommen.

Nach einigen geistigen Notizen versetzte ich mich zurück ins hier und jetzt, dokumentierte ein ‘klack-ratsch’ und beamte mich für kurze Zeit raus.

‘Klack-ratsch’ machte es auch, als Maurie die nicht mehr vollständig besprosste Leiter zu dem Bedienungsdeck des Mühlfahrzeuges erklommen hatte und die Leiter unter seinen Füßen ins unerreichbare Erdgeschoß zurückfiel. Das Deck erwachte flackernd zum Leben. Nach einigen Stunden Erkundungs- und Testbedienungen mit Hilfe eines rot-weißen Rescue-and-check-modusses hatte Maurie die Sauerstoffzufuhr, den Mahltrieb, den Windgeschwindigkeitsmesser, die Eisboxen für die Fracht und die Kommunikationsanlage probehalber bedient und intuitiv rudimentär verstanden. Obwohl er zwar punktuell gern allein war, entschloss er sich doch, bis zur Rekrutierung oder Zusammenfindung mit ein oder zwei Gefährten oder Gefährtinnen beim Rescue-and-check-modus zu bleiben. Er vermisste seinen Hund Fridge. Im Deckkühlschrank samt umfunktionierter Icebox befand sich genug Nahrung von Pizza über Kuchen bis zu Bier, Kaffee und Tee, sodass er die Kommunikationsreichweite als Rufweite getrost verkraften konnte und endlich einen Tee trank, bevor er versuchte, Johann und Jane zu erreichen, notfalls per guter alter Post, Trommeln, Rauchzeichen oder Flaggensprache, da beide sich zu diesem Zeitpunkt in Blick- und Rufweite befinden mussten und auch noch würden, wenn der Tee vorüber war.
Blieb die Frage, ob die beiden erstens aufnahmefähig und zweitens willens und in der Lage waren, einen Startversuch zu unternehmen. Er konnte nicht mehr allein runter, ohne sich die Knochen zu brechen, aber sie könnten hochkommen und ihn, wenn schon nicht tatkräftig, so doch seelisch-moralisch unterstützen.

‘Gimme beer’, sagte Maurie.
Fridge schwieg. Genauer gesagt schwiegen alle drei Fridges. Der Hund Fridge hörte seinen Namen, hob kurz den Kopf und wandte sich dann desinteressiert ab. Alle drei Fridges waren Materialisationen oder Impersonifikationen aus demselben Paraversum. Der Kühlschrank Fridge begann einen Kühlungswärmeaustauschzyklus. Das Gesamtsystem des Windmühlencockpits hatte den Status ‘Künstliche Intelligenz’ hinter sich gelassen und konnte mit Fug und Recht als Natürliche Intelligenz bezeichnet werden. Auch es schwieg, weil das Bier zu Neige gegangen war. Ansonsten hätte es mit ‘Mehr Details, bitte’ geantwortet. Fridge brummte derweil lediglich etwas vor sich hin. Er brummte virtuell, da er keinen physischen Schädel besaß, der vom eingebildet inhalierten Alkoholkonsum brummen konnte, aber er war durch unzählige analoge Röhrenverstärker geflossen, so dass man mit Recht von brummen reden konnte. Maurie holte tief Luft, dachte an nix und fuhr den Siliziumanteil in der Glasfaserproduktion etwas nach oben.
Wir Informatiker hatten es geschafft, die Welt perfekt von der Maschine abhängig zu machen, die Programmiersprachen und Datenbanken, die Algorithmen und Datenstrukturen verschwammen zu Appointments, Googlemania, SMS-Schleudern mit Sexwerbung, wir vergaßen, was uns als Menschen eigentlich ausgemacht hatte, nämlich das zutiefst analoge Element des Vergessens, der Fehlhaftigkeit und des Versagens.

Das Vergessen könnte allerdings ebensogut auf über- und regelmäßigen Cannabisgenuss zurückgeführt werden, während die Fehlhaftigkeit jedwedem Leben sowie Bauteilen und Algorithmenfolgen potentiell immanent ist und das Versagen ist eine Übung, die auf alle, jeden und jede von uns wartet, Programm, Pflanze, Struktogramm, Tier, Atomkraftwerksummantelung, Verhütungsmittel, Kaffeedosenverschluss oder Mensch.

to be continued