Egal oder Phantasie

Sternzeit 0983,1

Heute war es uns egal. Wir waren lange nicht tauchen, also versuchten wir es wieder einmal. Es bietet sich sprachlich an, zu sagen wir waren etwas durch den Wind. Die Spinne übernahm die Sicherung an Deck und der Rest von uns ging ohne Haikäfig in die Tiefe. Es ist schwierig, sich nur mit Handzeichen zu verständigen. Erneut entdeckten wir ein Korallenriff, dieses allerdings war etwas zugemüllt. Also legten wir Hand an und befreiten es so gut es ging davon, ohne etwas zu zerstören. Wir tauchten auf und sammelten den Müll an Deck, denn die Ozeane sind ein Naturgut, man könnte sagen: Teil der Schöpfung und sollten von uns Tieren nicht als Abfalleimer missbraucht werden. Die Phantasie ging mit uns durch, wir sahen schon überall Anzeichen dafür, dass der Herr der Gezeiten erneut Kontakt mit uns aufnehmen wollte, sei es im Wasser oder im Wind. Der Ameisenbär allerdings erzählte uns das erste Mal von einem Buch. Es sei schwierig zu verstehen, aber es trage seine Handschrift, sagte er. Ob es wohl ein Gedichtbuch war ? Ob es bebildert war ? Und in welcher Sprache war es geschrieben ? Ob der Octopus, der immer häufiger begann, Fragen zu stellen, es lesen und verstehen konnte ? Ob wir ein Exemplar davon an Bord hatten, wollte der Bär uns noch nicht verraten. Er schrieb manchmal Zitate aus dem Buch ins Logbuch, manchmal nannte er es ‘Einzelne’, manchmal waren es zusammenhängende Sätze. Wie der Zufall oder unser Wachplan es wollte, hatte der Ameisenbär heute auch Nachtwache. Da würden wir morgen früh alle ganz gespannt sein. Zunächst jedoch waren wir alle heilfroh, dass wir mal einen Tag lang fünfe gerade sein lassen konnten oder den lieben Gott einen guten Mann sein lassen, wie man sagt. Diese ganze Herumphilosophiererei wurde nämlich langsam richtig anstrengend. Alle gesund.

Das Wassergespenst

Sternzeit 0913,4

Heute haben wir alle einen mächtigen Schreck bekommen. Wir haben ein Wassergespenst gesehen. Und das kam so :

Frosch und Giraffe wollten die Taucherausrüstung einweihen und ein wenig von der Welt erkunden, in der der Delphin lebt. So stiegen sie in die Neoprenanzüge, schnallten sich die Sauerstoffflaschen um und setzten die Tauerbrillen mit dem Beatmungsgerät auf. Rückwärts ließen sie sich ins Wasser fallen und sanken langsam tiefer. Der Delphin war soo froh, endlich etwas Ablenkung zu erfahren und zeigte den beiden stolz einige Kunststücke. Als erstes machte er eine Wasserrolle. Um die Unterwasserwelt zu erforschen, mussten sie sich noch etwas tiefer sinken lassen. ‘Hier seht nur, ein Korallenriff ! Es lebt ! Vor diesem Fisch müsst Ihr Euch ein wenig in Acht nehmen, es ist eine Muräne. Wenn man sie aber nicht versehentlich bedroht, ist sie ganz friedlich.’ Es war sehr dunkel und sie konnten nur dank der auf die Masken montierten Taschenlampen sehen. Dann kam ganz unvermittelt das Wassergespenst. Lautlos schwebte es aus dem Hintergrund in ihr Blickfeld. Es war ungefähr vier Meter gross und flatterte etwas. Das heisst, wahrscheinlich hätte man es Flattern genannt, wenn es ein normales Bettuchgespenst gewesen wäre. Majestätisch und ganz langsam bewegte es sich fort und alles war vollkommen lautlos. Der Frosch erschreckte sich derart, dass er fast vergaß, zu atmen. Zur Verständigung machten der Frosch und die Giraffe einige fragenden Gesten in Richtung Delphin, der sich ja eigentlich am Besten auskennen müsste. Ein solches Gespenst hatte auch er allerdings noch nie gesehen. Deshalb entschied er sich, zur Sicherheit das Kommando zum Auftauchen zu geben. Als die drei wieder an ihrem Floß angekommen waren, sprang der Delphin so voller Freude, wieder in Sicherheit zu sein, einmal durch die Lüfte. Frosch und Giraffe schälten sich aus den Taucheranzügen und mussten dem Ameisenbär erstmal von ihren Entdeckungen berichten. Beim Abendbrot erzählte uns der Ameisenbär, wir könnten eventuell auch ein Tier gesehen haben, das sich Rochen nennt. Aber der Ameisenbär hatte ja keine Ahnung. Bestimmt wollte er uns nur beruhigen. Er saß ja den ganzen Tag über seinen Büchern und bekam von dieser, unserer wirklichen Welt nur die Hälfte mit. Wir wussten jedoch jetzt, dass wir beim Tauchen größte Obacht geben mussten und dem Erfahrensten unter uns 100-prozentig vertrauen mussten. Beim nächsten Mal wären wir vorbereitet und das Wassergespenst könnte uns nicht nocheinmal so einen aufregenden Schreck einjagen.
Leider konnten wir für die Nacht keinen Autopilot einstellen, denn der Delphin hatte Nachtwache. Deshalb banden wir das Ruder so fest, dass die Segel gut gefüllt waren und keine ungeplante Kursänderung uns aus der Bahn werfen konnte. Wir verließen uns ganz auf diesen seltsamen Typen, von dem der Ameisenbär uns immer erzählte.